Popkultur ist so eine Sache. Naturgemäß ist sie sehr stark im Wandel und daher immer flüchtig. Letztlich kann mensch Popkultur wohl nur im Nachhinein feststellen – also dann, wenn es eh zu spät ist. Allerhöchstens lässt sie sich remixen. Die vergangene Popkultur wird regelmäßig im Abstand von zwanzig bis dreißig Jahren wiedergekäut, da diejenigen Menschen, die – sagen wir – in den 1980ern jung waren nun diejenigen sind, welche Popkultur erschaffen. So lässt sich beispielsweise auch erklären, warum viele Videospiele in letzter Zeit vermehrt auf den Retro-Pixel-Look setzen. Die Macher*innen dieser Spiele sind irgendwo zwischen 20 bis 40 Jahre alt und in den 80ern und 90ern mit 8- und 16-Bit-Grafik aufgewachsen. Für sie ist die Verwendung von Pixelgrafik also auch ein Stück weit Nostalgie.

Das heißt: Die Videospiele von damals prägen die Popkultur von heute. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Film “Pixels”, in welchem die Figuren der 80er-Jahre-Arcade-Spiele wie Pac-Man oder Donkey Kong zum Leben erwachen und eine amerikanische Stadt auseinandernehmen. Die Qualität des Film mal aussen vor gelassen: Einen besseren Beweis für die kulturelle Bedeutung von Videospielen kann zumindest ich mir momentan kaum vorstellen. Das heißt aber auch im Umkehrschluss: Videospiele sind kulturelle Produkte wie Filme, Bücher, Gemälde usw., die es zu Bewahren gilt.

Via Flickr.com, by Sam Howzit

arcade games_sam howzitSogenannte Arcades, frühe Möglichkeiten, Videospiele zu spielen.

Aber gehören Videospiele wirklich in ein Museum? Es sind doch “nur” Spiele?

Natürlich sind es “nur” Spiele, Werkzeuge zur Unterhaltung, aber gleichzeitig auch Produkte “unserer” globalen und regionalen Kultur. Deswegen lassen sich aus ihnen Rückschlüsse über bestimmte gesellschaftliche Relevanzen und Irrelevanzen ziehen. So können Spiele (aller Art, übrigens, also auch Brettspiele) mit historischen Kontexten durchaus gewisse geschichtliche Erzählungen – also die Frage, wie ein historisches Ereignis interpretiert und verstanden wird – fördern oder ihnen widersprechen. Ein schönes Beispiel dafür ist Assassin’s Creed III, welches dem eingeübten Narrativ der Amerikanischen Revolution folgt und diese oberflächlich als den altbekannten “Kampf gegen Tyrannei” darstellt. In seinen Datenbank-Einträgen ist das Spiel aber durchaus bemüht ein differenziertes Bild, auch der vermeintlichen Helden dieser Zeit, zu zeichnen. Weitere Überlegungen zur Darstellung von Geschichte in Videospielen gibt es in einem Artikel von Rock, Paper, Shotgun.

Da Videospiele also kulturell und damit historisch relevant sind, müssen sie für kommende Generationen aufbewahrt werden. Zum Glück gibt es bereits einige Bemühungen und Überlegungen, dies schon jetzt zu tun, ungefähr dreißig Jahre, nachdem Videospiele der Kultur ihren Stempel aufgedrückt haben. Das Berliner Computerspielemuseum gehört zu diesen Pionieren. Aber auch die Internetplattform archive.org ist eine solche Popkultur-Bewahrer*in: Dort findet mensch verschiedene “alte” Software zum Download oder, im Falle von MS-DOS-Spielen vergangener Tage, sogar als Emulation im Browser. Denn: Alle Sammlungen nutzen kaum etwas, wenn Interessierte nur anschauen, aber nicht anfassen können – vor allem bei einem interaktiven Medium wie Videospielen.

Code ist unsterblich,  Serverschränke nicht

Dass bei diesen die Zugänglichkeit im Vordergrund steht, referiert auch Jason Scott vom Internet Archive in einem spannenden Vortrag auf der diesjährigen GDC. Ein Problem dabei, Spiele zu konservieren, ist tatsächlich die Vergänglichkeit von Disketten, Laufwerken und ähnlichem. Während der Code vielleicht unsterblich ist, das Speichermedium ist es nicht. Und nicht zuletzt sind Videospiele auch Teil einer Industrie. Deren Profitdenken verhindert bisweilen die Dokumentation und Speicherung abgeschlossener Projekte. So wollte Gearbox gerne den Stand-Alone-Teil “Cataclysm” der Homeworld-Serie mit in das Remastered-Paket von Homeworld packen, sah sich aber vor das Problem gestellt, dass Teile des Programmcodes nicht mehr auffindbar sind.

Diese Situation ist zum Teil sehr ähnlich mit der des Films. Bis sich in den 1920ern mit dem us-amerikanischen Studiosystem eine richtige Industrie um Filme herum etabliert hatte, wurden Filme hauptsächlich als Lern- und vor allem Unterhaltungsmedium genutzt. Filme galten deshalb nicht als Kultur relevant und die kurzen, wenige Minuten dauernden Streifen wurden nachlässig gelagert, meist aber einfach weggeschmissen. Nun da sich der Film als Kunstmedium etabliert hat, hadern Filmhistoriker mit dieser Nachlässigkeit und Ignoranz unserer Ur-Urgroßeltern.

Via Wikimedia Commons

KinetoscopeParlorbisSogenannte Kinetoskope, frühe Möglichkeiten, kurze Filme anzuschauen.

Dazu brauchen wir heute die nervige Diskussion darum, ob Spiele Kunst sind oder nicht. Denn nur, wenn wir uns über die Bedeutung von Spielen im Klaren sind, können wir auch zurecht sagen: “Sie gehören in ein Museum!”