Mit ein wenig Verspätung kommt er doch noch. Ein Mini-Mehr-Spieler zur E3. Letztes Jahr haben wir uns noch über Stunden hinweg über die größte Games-Messe der Welt ausgelassen, doch das war nicht nur für uns eine Anstrengung. Wer sich wirklich für das Großereignis in L.A. interessiert, der weiß um die nackten Zahlen und nach drei Stunden kann auch eine kontroverse Meinung aus dem J-M-W-Dreieck nicht mehr für stürmische Begeisterung sorgen. Deswegen und, wir wollen schließlich ehrlich mit euch sein, aus Zeitgründen gibt es nur einen winzigen Einschub zur großen Messe. Ein Häppchen im Hinblick darauf, wie man den Sinn solcher Messen zu werten hat und mit welch grenzdebiler Egozentrik die amerikanische Games-Presse-Landschaft die E3 betrachtet.

Via Flickr by Doug Kline

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Jede Messe mit “Babes” kann sowieso nicht allzu ernst genommen werden… also jede!

Newsflash: die Welt ist keine Scheibe

Der Beobachtungsgegenstand der heutigen Kurzsichtigkeitsanalyse des Games-Journalismus ist Square Enix. Nicht im Allgemeinen, sondern im Besonderen auf die Titel “Kingdom Hearts 3” und natürlich “Final Fantasy XV” bezogen. Als 2013 auf der E3 im Rahmen der genaueren Ankündigungen zur “Next-Gen” die beiden Titel von Squenix vorgeführt worden, überschlugen sich die Games-Journalisten in ihren Lieblingsdisziplinen: Gerüchte ohne Quellen und fantasievolle Eigeninterpretation. Für “Final Fantasy XV” wurde von Seiten der Journalisten ganz schnell festgelegt, dass das Spiel bestimmt 2014 herauskäme und “Kingdom Hearts 3” könne spätestens 2015 auf dem Markt erscheinen. So weit, so gut.

Bestätigungen für solcherlei Gerüchte gab es von keiner Seite. Ganz im Gegenteil sagte Tetsuyo Nomura (Director von “Kingdom Hearts 3”), dass er befürchte das Spiel sei zu früh angekündigt worden. Zu “Final Fantasy XV” gab es zwar keinerlei Aussagen dieser Art, doch ein Releasedatum veröffentlichte Squenix ebenfalls nicht. Wahrscheinlich hatte es auch mit der erneuten ziellosen Fragerei der großen News-Seiten wie IGN und Gametrailers zu tun, dass Squenix für die diesjährige E3 die Notbremse zog. Kurz nachdem Gametrailers inmitten all ihrer Hype-Videos zur E3 ihr “Preview” zu einer Präsentation von “Final Fantasy XV” veröffentlichten, ein Preview zum Preview also?, gab Squenix bekannt weder “Final Fantasy XV” noch “Kingdom Hearts 3” auf der E3 zu präsentieren.

Seit Mitte Mai wird demnach spekuliert, ob das Spiel nicht vor dem Geschäftsjahr 2015/16 veröffentlicht wird. Und auch wenn natürlich gleich wieder auf Zeiträume spekuliert wird, ist zumindest nahezu jedem Hanswurst klar, dass das Spiel nicht vor der Fertigstellung steht. Squenix äußerte sich, dass man später im Jahr mehr präsentieren wolle, wobei viele gleich an die Gamescom denken, was bei einem Zeitfenster von 2 Monaten jedoch ähnlich unlogisch erscheint. Aber wie wir ja bereits wissen, denkt der Games-Journalist oft nicht weiter als bis zur eigenen Nasenspitze. Wenn wenigstens bis zur Nasenspitze des Entwicklers gedacht würde und man in erster Linie von der TGS (Tokyo Game Show) sprechen würde, könnte man solcherlei Gerüchte wenigstens noch nachvollziehen.

Das Morgen kann ich nicht verkaufen

Anstatt stinkig zu sein, dass Squenix die Frechheit hat die größte Messe mit neuen Trailern zu beglücken, sollte man auf Nebenschauplätze achten. Besonders wenn der Nebenschauplatz aller Voraussicht nach das zweit lukrativste Final Fantasy nach dem elften Teil der Serie werden könnte. “Final Fantasy XIV: A Realm Reborn” ist der große Gewinner diesen Jahres. Auch wenn “Thief” sich gut verkauft hat, ist es wertungstechnisch wie die anderen beiden größeren Releases “Lightning Returns: Final Fantasy XIII” und “Murdered: Soul Suspect” mehr oder minder durchgefallen. Das vor Jahren gescholtene MMORPG “Final Fantasy XIV” ist allerdings dem neuen Namen entsprechend tatsächlich von den Toten wieder auferstanden.

Die Wertungen sind besonders in Hinsicht auf den ursprünglichen Release traumhaft. Besonders die PC- und die PS4-Umsetzungen werden auf ganzer Linie gelobt. Dementsprechend klug ist es von Square Enix, dass sie sich darauf konzentriert haben auf der E3 nur ein Final Fantasy in den Mittelpunkt zu rücken. Es ist klar, dass man einige mit ausbleibenden News vergrault, doch nach dem Ärger müssen diese schauen, was es gibt. Und da ist “A Realm Reborn” mit dem nächsten großen Update, neuen Klassen und eben einem großen Trailer mit von der Partie. Es geht darum das Jetzt und Hier zu vermarkten und nicht Spiele in der fernen Zukunft. Wenn ich eine laufende Produktlinie verkaufen will, dann lasse ich sie nicht in ständiger und direkter Konkurrenz zu Nachfolgern laufen. Auch wenn “Final Fantasy XIV” ein MMO ist, trägt der Name Gewicht und Aufmerksamkeit.

Nach der E3 ist vor der E3

Zum Abschluss soll sich auch der Exklusivitätsschwachsinn vor Augen geführt werden. Natürlich ist eine Überraschung auf der E3 ganz nett. Besonders Entwickler wie EA sind auf vorher nicht angekündigte Titel angewiesen, die nicht eine Zahl im Titel enthalten. Aber die Zeit der großen Exklusivtrailershow ist vorbei. Immer mehr Developer und Publisher bringen ihre Trailer schon in den Tagen und Wochen vor der E3 in Umlauf, um sich für Gamer und die Industrie im Allgemeinen interessant zu machen. Lieber platziert man sich günstig als das Risiko einzugehen auf der großen Messe inmitten all der Ankündigungen unterzugehen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist “Phantom Dust”. Wie viele Spieler haben sich diesen Titel mitsamt des Trailers inmitten diesem Meer aus Bombasten merken können. Auf der E3 werden die meisten Titel zu einem von vielen. Es sind die Exklusivtitel von Hype-Mächte wie z.B. “No Man’s Sky”, “Uncharted 4: Thief’s End” und “Sunset Overdrive” die Beachtung erhalten. Die E3 ist ein konzentrierter Wasserstand und keine Neuankündigungsmaschinerie mehr. Wer sich auf solche festen Ereignisse versteift verliert im Ansehen der Öffentlichkeit viel eher, wie der PR-Schub der frühen PS4-Ankündigung letztes Jahr bewies. Aber wer erinnert sich in diesem Business denn noch an Vorgestern?