Facebook. Twitter. 9gag. Der Feed ist vermutlich die Hauptinformations- und Unterhaltungsquelle unserer Zeit. Das Besondere an diesen Feeds ist oft, dass sie personalisiert sind. Gerade Facebook und Twitter sind, als soziale Netzwerke, höchst individuell. Das habe ich zuletzt erst wieder gemerkt, als die Biernominierungen beim größten sozialen Netzwerk grassierten. Anscheinend tauchten die bei allen anderen Menschen im Feed auf, nur bei mir nicht. Meine Güte, war ich darüber froh.

Wenn du diesen Abschnitt liest, wirst du für’s Leben lernen

Der neueste Schrei sind “bewegende” oder “lustige” Posts von diversen Webseiten, die einen für den Klick mit ganz emotionalen Videos oder wahnsinnig witzigen Listenartikeln und animierten GIFs belohnen. Herausragendes Merkmal sind dabei die Überschriften, oft gestaltet nach bestimmten Prinzipien, welche auf dem niedrigsten Niveau die menschliche Neugier ansprechen, nur um die Ahnungslosen auf ihre Seiten zu locken. Mein Feed hat die erste Welle – in Form von Buzzfeed und Upworthy – davon mitbekommen, aber noch ganz gut überstanden. Auf dem Kamm der zweiten Welle reitet momentan ein Name: Heftig.co. Es ist aber nicht nur diese Webseite mit kolloquialem Namen (übrigens angemeldet in Kolumbien, aber bestückt aus Potsdam), sonder auch Likemag oder Storyfilter, die mit Clickbait ihr Geschäftsmodell gefunden haben. Denn diese Seiten haben einen unglaublichen Erfolg in sozialen Netzwerken, wo ihre “Inhalte” millionenfach geteilt werden. Ausser von meinem Freunden im Facebook-Feed, wofür ich ihnen übrigens sehr dankbar bin.

By moirabot, via Flickr.com

thank you_moirabotDa Anni irgendwie auf Schilder mit Aufschriften zu stehen scheint. Bitte. Danke.

Diese Welle aber hat eingeschlagen. Der Tumblr-Blog heftigstyle dokumentiert eindrücklich, dass es mittlerweile nicht mehr die üblichen Verdächtigen sind, sonder auch “etablierte” Medien bereits zu den Bullshit-Kolportierern gehören. Damit springen jene gerade auf den Güterwaggon auf, welcher die Säue regelmäßig in den zahllosen Dörfern abliefert, um sie durch selbige zu treiben.

Also, Clickbait-Schlagzeilen sind der neue heiße Scheiß. Aber warum die Aufregung? Sind doch nur nette Geschichten…

Ja. Genau. Nette Geschichten. Inhaltsleere Hüllen, von denen aber suggeriert wird, dass sie die Welt, zumindest aber unser Leben verändern. Der suggerierte Eindruck auf unser Leben/die Welt ist riesig, der tatsächliche existiert nicht. Denn dieser Bullshit versinkt genauso schnell in der Versenkung wie die Wegwerf-Memes auf 9gag. Zugegeben: Die Nicht-Inhalte dieser Webseiten sind die perfekte Ablenkung für eine Gesellschaft mit Kollektiv-ADHS, die sich zwar nach Waldeinsamkeit sehnt, dafür aber leider keine Zeit hat. Romantik kostet schließlich Geld. Stattdessen konsumiert diese Gesellschaft lieber Fast-Food-Unterhaltung, die nach drei Mal Wischen mit dem Daumen wieder nutzlos geworden ist.

Diese Überschrift hat mich wirklich tief bewegt. Vor allem der zweite Teil.

Betrachten wir einmal, was da eigentlich geschieht durch so eine Überschrift. Da wird ein Hype aufgebaut, der am Ende ohnehin nicht eintritt. Der vermeintliche Inhalt wird derart überhöht, dass das Versprechen der Schlagzeile gar nicht eingelöst werden kann. Aber das ist ja auch das perverse Prinzip dahinter. Es geht schlichtweg nicht um den Inhalt. Der ist nur Mittel zum Zweck des Klicks. Denn dieser generiert Reichweite, Reichweite bedeutet höhere Werbeeinnahme, was wiederum mehr Gewinn für die Betreiber bedeutet. Wir, die wir uns nach einer etwas besseren Welt sehnen, werden durch Schlagzeilen-Prophezeiungen von Upworthy und Co. zum Klick geködert, nur um genau die Maschine am Leben zu erhalten, die für unsere Misere sorgt.

Eine Seite wie Heftig.co ist dabei selbst auch nur Mittel zum Zweck. Denn Werbung wird dort nicht geschaltet. Was verdienen als die beiden Potsdamer Unternehmer dahinter? Nichts. Noch nicht. Denn der riesige Medienrummel um diese Seite hat für genug Aufmerksamkeit gesorgt, dass sich das Portal ziemlich schnell ziemlich weit nach vorne in den Social-Media-Charts katapultiert hat. Wollen die beiden nun ihr Konzept zu Geld machen, brauchen sie sich nicht mehr allzu sehr anzustrengen. Geniale PR, das muss man den Leuten lassen.

By Winefolly.com, via Flickr.com

greedy waiter_WineFolly.comSo in etwa stellen ich mir die beiden Herren hinter Heftig.co vor.

Nun, mag mensch einwenden, ist doch alles nicht so schlimm. Die Aufregung ist umsonst, denn irgendwann haben sich die Leute sattgesehen an diesen Hypemonstern und sind quasi immunisiert gegen die Effekthascherei der Bullshit-Fabriken. Auch ich hoffe, dass dieser Moment eintritt. Vielleicht ist das alles irgendwann vorbei. Aber welche Menschen klicken sich dann noch durchs Netz? Emotionslose Hüllen, die an nichts mehr glauben und kein Vertrauen in irgendwas besitzen, weil sie gelernt haben, dass kein Hype es jemals ernst gemeint hat? Dass es beim Internet nicht mehr um Ideale wie Freiheit für alle, Transparenz, Vernetzung, Revolution geht, sondern nur noch um kalten Profit für die wenigen, die keine Skrupel haben, uns, ihre Mitmenschen, lediglich als Mittel zu ihrem eigenen egoistischen Zweck zu gebrauchen? Menschen, die letztlich von allem und dem Leben im speziellen enttäuscht sind?

Mag sein, dass ich die Wirkung von Clickbait-Webseiten in dieser Hinsicht überschätze. Aber für mich ist der „Erfolg“ dieser Seiten das beste Indiz dafür, dass wir Gefahr laufen, gänzlich verschluckt zu werden. Verschluckt nämlich von einer Wirtschaft, die uns mit personalisierten Feeds so etwas wie Individualität vorgaukelt, es ihr aber eigentlich nur um unsere monetäre Verwertbarkeit geht.