Ein großer Dank geht an Robin, welche die folgende Kritik verfasst hat.

Als der aktuelle Thief-Teil angekündigt wurde, war ich direkt Feuer und Flamme. Die ersten beiden Teile von Looking Glass habe ich verschlungen. Danach setzte sich mit Ion Storm ein neuer Entwickler dran, lieferte aber meines Erachtens einen mehr als würdigen Nachfolger. Von Eidos erhoffte ich mir einen ähnlich guten Start, war aber ob der langen Zeitspanne dazwischen doch ziemlich skeptisch. Was soll ich sagen? Es ist immer noch schwer, dieses Spiel einzuordnen. Eidos Montreal wollte ja etwas ganz neues aus Thief machen, aber kann man Thief einfach so aus dem Kontext seines Franchises reißen? Und was wird aus den Frauenrollen im Spiel gemacht?

Ein Schleicher auf neuen Wegen

In Thief finden wir uns wieder in der Rolle von Meisterdieb Garrett, der von seinem Hehler Basso auf die Mission geschickt wird, um den Urkraft-Stein zu stehlen. Zu Unterstützung findet sich auch Diebin Erin ein. Die beiden machen sich auf den Weg zur Kathedrale, wo gerade ein merkwürdiges Ritual um den Stein im Gange ist, sodass Garrett entscheidet, den Raubzug abzubrechen. Bei einem Handgemenge mit Erin, die darauf besteht, den Stein doch noch zu stehlen, stürzen beide in die Kathedrale. Als Garrett wieder zu sich kommt, ist ein Jahr vergangen und in der Stadt grassiert eine merkwürdige Krankheit.

thief4Es fällt direkt auf, dass Thief im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein viel höheres Tempo an den Tag legt; zumindest, was das Gameplay angeht. Es gibt eine recht große Menge an Actionsequenzen, in denen man vor einer Übermacht an Feinden davonläuft, sich durch brennende Gebäude schlägt und buchstäblich über Tische und Bänke geht, um zu entkommen. Heimlichkeit geht anders. Viele Level beginnen zwar versteckt und motivieren dazu, möglichst wenige Gegner auszuschalten, trotzdem ans Ziel zu kommen und unentdeckt zu bleiben. Da frustriert es doch auf Dauer, wenn immer wieder am Ende der Mission eine Cutscene mit Pauken und Trompeten daherkommt und euch enttarnt, egal, wie gewissenhaft ihr zuvor gewesen seid, nur damit ihr beim Entkommen durch ein Heer von Feinden manövrieren müsst. Schade eigentlich, denn so wird aus einem ehemaligen Vollblut-Schleichtitel ein Dishonored-Klon. Die Parallelen sind ja ohnehin schon mehr als deutlich mit einem Charakter wie der Königin der Bettler und einem Setting in einer halb abgeriegelten Stadt mit Seuchenproblematik.

Hey, das kenn ich doch!

Da kann Eidos noch so sehr etwas ganz Eigenes aus Thief machen wollen, an der nicht unbeträchtlichen Fanbase kommen sie dabei dennoch nicht vorbei. Und so finden sich im Spiel immer wieder Hinweise und Anspielungen auf die früheren Titel. Nur leider fast immer ohne Kontext. So ist es eine hübsche Hommage an das erste Level von Thief – The Dark Project, dass die Elster von Basso den Namen Jeniver trägt; ist Basso der Boxer doch ein bereits im alten Titel ein guter Freund von Garrett, für den der Meisterdieb seine geliebte Zofe mit eben diesem Namen befreit. Die Kapelle, in der das mysteriöse Ritual aus dem neuen Thief schiefgeht, trägt das Zeichen des Hammers und die versunkene Stadt unter dem Haus der Blüten gehört ganz offenkundig zum Orden der Hüter. All diese Anspielungen, aber keine Erklärung dazu. Was wurde aus den Hütern? Woher hat Garrett seine Narbe? Was ist mit dem Kult des Erbauers geschehen?

thief3Ist Weibsvolk anwesend?

Da wird im Tutorial mit Erin eine vielversprechende Frauenfigur vorgestellt; kompetent, mit eigener Sicht auf die Dinge, eine genauso diebische Elster wie Garrett – und dann wird sie erschlagen von allen Tropes, die dem Entwicklerstudio nur einfallen konnten. Traumatische Vergangenheit als unfreiwillige Prostituierte? Check. Vermeintlicher Tod, um die Story voranzubringen? Check. Gefangenschaft, Folter und völlige Passivität bis zur Schlüsselszene am Ende? Check. Weißes Kleid und Behandlung als heiliges Artefakt? Check. Mehr oder weniger Love Interest für den Protagonisten? Check! Noch mehr an Leid hätte in eine einzelne Figur nicht mehr hineingepasst, ansonsten wäre auch das noch vorhanden.

Erin weckt Hoffnung auf eine Partnerin im Spiel. Eine, mit der man zusammen auf Beutezug gehen, mit der konkurriert werden kann. Doch leider wird sie noch im Tutorial degradiert zu einem reinen Plot Device, zu dem einzigen Trieb, der für Garrett übrig bleibt, sich mit den Geschehnissen in der Stadt auseinanderzusetzen.

Wirklich schade, denn abgesehen von ein paar Statistinnen gibt es sonst nur noch die Königin der Bettler und auch ihre einzige Aufgabe besteht darin, den Protagonisten Garrett voranzubringen. Das sticht besonders ins Auge, da in einem der Zeitungsartikel, die man in der Stadt finden kann, wortwörtlich von den „mutigen Männern und Frauen der Wache“ gesprochen wird. Leider konnte ich keine einzige Wächterin ausmachen.

Fazit

Spielerisch ist Thief gut umgesetzt. Der Wechsel zwischen Schleich- und Actioneinlagen bietet auch Einsteigenden einen guten Anfang, der Soundtrack ist gut gemacht und die freie Stadt bietet viele Erkundungsmöglichkeiten. Leider ist die Story ein echter Wermutstropfen und zumindest ich konnte mich nicht gegen ein müdes Seufzen wehren, als klar wurde, dass die Story um den Meisterdieb zu einer reinen Damsel-in-Distress-Geschichte heruntergebrochen wird, wie sie einfach ständig zu finden ist.