Der neue Film von Jake Gyllenhaal ist einer dieser Filme, die dir nur zwei Möglichkeiten lassen. Erstens, du gehst auf in deiner eigenen intellektuellen Geilheit oder zweitens, du bist einfach nicht gebildet genug. Dabei hat die Adaption des Romans Der Doppelgänger von José Saramago durchaus Potenzial, aber letztendlich verliert er sich in seinem eigenen Anspruch. Ohne Zweifel muss man dem Regisseur Denis Villeneuve sein Gefühl für starke Bilder und verstörende Einstellungen lassen, aber Bilder allein machen noch keinen Film.

Spieglein, Spieglein…

Stell dir vor, du findest raus, dass es einen Menschen gibt, der genauso aussieht wie du, genauso spricht wie du und bis aufs letzte Detail dein Ebenbild ist. Was macht das mit dir und vor allem was würdest du tun? Das ist die einfache Prämisse dieses Films, der sich um einen namenlosen Geschichtsdozenten dreht (Jake Gyllenhaal), dem genau das passiert. Es folgen Unglaube, Neugierde, Misstrauen und ein Missbrauch der Situation, die uns aufs Neue einen Einblick in menschliche Abgründe liefern.

Doch über dem Ganzen schwebt nur eine Frage, an die sich weitere knüpfen. Ist es überhaupt möglich, einen solchen Doppelgänger zu haben? Sind die beiden verwandt? Existieren sie einfach? Oder ist es nicht doch ein und dieselbe Person? Der Film spielt (recht unsubtil) mit diesen Elementen und schreit dem*der Zuschauer*in dabei förmlich entgegen, die Dinge zu hinterfragen.

Genau da liegt das Problem. Auch wenn diese Prämisse ohne Zweifel interessant ist (und gerade deshalb auch schon anderweitig durchexerziert wurde), will er die Verwirrtheit und Verzweiflung des*der Zuschauenden zu viel. Er lässt die Besucher*inn*en des Kinos konstant im Dunkeln und sorgt so dafür, dass man* dem Rest der Geschichte kaum folgen kann. Vielleicht ist das gewollt, vielleicht kam das Konzept nicht bei mir an. Aber in der Regel habe ich ein Problem damit, wenn ein Film mir nicht dem Raum gibt meine eigenen Fragen zu stellen, dafür aber die ganze Zeit “Schau wie vielschichtig ich bin, frag dich was ich meine, FRAG DICH” entgegen wirft.

Spinnen, überall.

Dazu addieren muss man* außerdem die sich konstant durch den Film ziehende Spinnensymbolik, die in der ersten Szene eingeführt wird und sich danach wie ein roter Faden durch das Werk zieht. Zuerst taucht sie in einem Sexclub (oder etwas ähnlichem, so richtig erfährt man* das nie) auf, die der Doppelgänger (oder der Protagonist, man* weiß es nicht) besucht. Welche Funktion der Club oder auch die Spinne hat, muss jede*r für sich selbst entscheiden, es sei gesagt, dass beide Elemente nicht Teil des Buches waren und somit dem Kopf des Adaptierenden entsprungen sind.

Letztendlich sorgt die ewig auftauchende Spinne nicht dafür die Verwirrung (und zunehmende Verstörung) beim Schauen des Filmes abzubauen. Auch die mit dem Sexclub verbundene Nacktheit und die nackten weiblichen Körper, die der Film präsentiert, werfen Fragen auf, denn auch wenn sich die zweite Hälfte des Films um das Tauschen von Identitäten dreht (und damit auch den mehr oder weniger den Tausch der Frauen beider Männer), bleibt es ungeklärt, warum wir so viele nackte weibliche Körper sehen. Vor allem die starke Verwendung von Sexszenen in der ersten Hälfte des Films haben nicht so recht eine Funktion. Sie erscheinen mehr dem voyeuristischen Blick zu entspringen, als eine Aussage über die Figuren oder den Plot zu treffen. Weniger ist manchmal eben doch mehr.

Aber die Bilder?

Daran gekoppelt ist, dass Enemy vermehrt Aussagen in die Länge zieht. Gerade die Emotionen der Hauptfigur lassen sich schnell greifen und wirken ab der zweiten oder dritten Einstellung redundant. So kommt es vor, dass schon in den ersten beiden Szenen klar wird, was gesagt werden wollte (z.B. die Verstörung der Hauptfigur), aber drauf noch weitere folgen, die diese Aussagen wiederholen. Dieser Umstand ist an sehr oberflächliche Charaktere gebunden, die durchaus Potenzial haben (z.B. die Freundin des namenlosen Protagonisten und ihre Reaktion auf ihn), die aber nicht weiter ausgeführt werden und damit zur allgemeinen Unzufriedenheit beitragen.

Via flickr by Lessio

jake

Aber der Bart steht ihm gut.

Dennoch ist der Film an vielen Stellen handwerklich hervorragend umgesetzt und gespickt mit tollen Einstellungen, doch die erzählerische Verbindung dieser Elemente gelingt nicht. Grade die Spinnensequenzen sind zusammen mit dem fast an einen Horrorfilm erinnernden Soundtrack exzellent, wirken aber (wie die ganze Spinnensymbolik) nicht selten neben dem Film stehend und zum Teil wahllos.

Ist Enemy ein schlechter Film? Nein, das nicht. Hier waren durchaus Menschen am Werk, die es verstehen eine dichte Atmosphäre zu erzeugen und verstörende, aber schöne Bilder zu produzieren. Und dennoch kann ein Film nicht allein auf diesen Bausteinen stehen. Zu sehr mit seiner eigenen Erzählkunst beschäftigt, versteht er es nicht dem*der Zuschauer*in mehr als Verstörung zu vermitteln. Sicherlich gibt es da draußen Menschen, die anderer Meinung sind, vielleicht bin ich einfach nicht intellektuell genug, aber damit kann ich leben.