Manche Spiele trennen Kontinente. So auch das in Dänemark entwickelte „Hitman Absolution“. Ähnlich einem „Darksiders II“ erhielt es 2012 im Durchschnitt weit bessere Kritiken in Deutschland als in Übersee. Und vielleicht liegt es an der Luft hier oder auch an einer gänzlich anderen Auffassungsgabe hierzulande, dass auch ich bei einer Kritik des Stealth-Titels um Agent 47 schwach werde, über ein eher abgedroschenes Setting hinwegsehen kann und den Spielspaß in den Vordergrund stelle.

Story – Agent 47… mit der Motivation zum Töten (5/10)

Johannes hat es in einem unserer Podcasts treffend auf den Punkt gebracht, dass Spiele in erster Linie von ihrem Gameplay leben. Wenn eine Atmosphäre punkten kann oder die Story unvergesslich ist, dann ist das natürlich ein dickes Plus. Aber was bringt die beste Geschichte in einem Videospiel, wenn man sich durch das Spiel quälen muss? Natürlich schreibe ich diese Zeilen mit dem Hintergedanken, dass „Hitman Absolution“ keinen Reißer auspackt. Die undurchsichtige Geschichte um die mysteriöse Victoria, die es zu beschützen/retten gilt, ist in erster Linie ein Sprungbrett, um Agent 47 in diverse Level zu stecken, in welchen er seinem Handwerk meisterlich nachgehen darf.

Die Atmosphäre dagegen kann zumindest mit einem ganz eigenen Charme punkten, der B-Movie- und Gangsterfilm-Liebhaber dazu einlädt Psychopathen bei durchgeknallten Monologen zu beobachten. Ebenso tragen Ingame-Gespräche durch dunklen und manchmal auch infantilen Humor zur kernigen Atmosphäre bei. Für ein paar stylische Cutscenes und trockene Sprüche hat es gereicht. Im Angesicht der Tatsache, dass das Ende des Spiels keinen Einfluss auf den nächsten, früher angesiedelten Hitman-Titel haben wird, ist die Story wie bereits festgestellt nur der Anstoß, um den Stein ins Rollen zu bringen.

Via flickr by Firepower23Chibi Hitman

Leg’ dich nicht mit dem “Original Hitman” an!

Spielmechanik – Zwischen alten Tugenden und neuen Trends (9/10)

Als Neuling in der Hitman-Reihe kann ich keine Vergleiche zu den Spielmechaniken voriger ziehen. Aber abgesehen von einer Erwartungshaltung, die vom Entwickler und Fans gleichermaßen befeuert werden kann, ändert eine Erwartungshaltung nichts am Spiel selbst. Unabhängig davon, was sich manche von „Hitman Absolution“ versprochen haben, ändert es nichts am Titel selbst.

„Hitman Absolution“ macht, wenn man sich nicht aufgrund von Nostalgie davor versperrt, von vornherein darauf aufmerksam, was es sein möchte. Es ist ein Stealth-Game mit eingeschränkten Third-Person-Shooter-Möglichkeiten. Ich würde beinahe vorsichtige Vergleiche zu „Metal Gear Solid IV“ ziehen, da auch dort Schusswechsel stets eine Option, aber letztlich nie bis seltenst die beste Alternative darstellen. Im Gegensatz zum stets erdrückenden Vergleich mit der Metal-Gear-Reihe setzt „Hitman Absolution“ auf kleinere Level und einen viiiiiiiiiiiieeeeeel leichteren Zugang.

Das größte Eingeständnis für den leichten Zugang ist dabei der Detective Mode Instinkt (Batman lässt grüßen), der auf mögliche Feinde, Zielpersonen und nutzbare Gegenstände und Verkleidungen hinweist. Es gab Tohuwabohu um diese Funktion, da sie das Spiel zu einfach machen würde. Ein merkwürdiges Argument, da das Spiel einen nie auffordert diese Fähigkeit zu gebrauchen. Zudem ist der Instinkt auf höheren Schwierigkeitsstufen nicht mehr nutzbar, doch dazu an gegebener Stelle mehr.

…und wie ich beim Purist-Modus heulen würde!

Unabhängig vom Instinkt wird Agent 47 stets mit festgelegten Waffen zu Beginn einer Mission ausgestattet. Fast ausnahmslos gibt es weitere Waffen zu finden, doch die Level lassen sich stets mit dem gegebenen Equipment erledigen. Viel wichtiger ist es effizient zu schleichen. Auch hier ist es möglich Level zu beenden, ohne dass man entdeckt wird. Man muss nicht darauf zurückgreifen sich als Wache, Koch oder Backenhörnchen zu verkleiden. Je nach Spielweise wird das Schleichen leichter und schwieriger und die Möglichkeiten sind über das gesamte Spiel gesehen nahezu unzählbar. Durch Punktzahlen für verschiedene Ansätze und das Entdecken aller Waffen, Verkleidungen und Goodies reizt das Spiel auch weniger passionierte Auftragsmörder zu neuen Durchgängen.

Während der Gebrauch von Waffen selbst erklärend ist und wie betont im Schusswechsel schwerer zu handhaben ist – abgesehen von gezielten „Dead Eye“-Momenten (Red Dead Redemption lässt grüßen, wenn Gegner in Slow-Motion anvisiert und blitzschnell eliminiert werden – hat sich das Verkleidungsprinzip nicht für jedermann erschlossen. Doch auch dieses Prinzip ist sinnig und erfordert die Auffassungsgabe der Spieler.

Die Verkleidungen funktionieren wie Klassen. Seid ihr zum Beispiel als Koch verkleidet, könnt ihr unerkannt von Kriminellen und Polizisten, die nach Agent 47 Ausschau halten über den Marktplatz schlendern. Anderen Köchen hingegen fällt auf, dass mit euch etwas nicht stimmt, sodass ihr von diesen schnell enttarnt werdet, solltet ihr in deren Visier geraten. Zusätzlich haben gewisse Klassen problemlosen Zugang zu bestimmten Arealen, die anderen Verkleidungen verwehrt bleiben. Übrigens: Dass Agent 47 äußerst dämlich oder auch auffällig in seinen Verkleidungen wirkt, ist mehr Teil des Humors als fehlerhaftes Design. Er läuft schließlich hier und da im Backenhörnchen-Dress durch die Gegend!

Via flickr by CommunityMagHitman Screenshot 2

Für vier bewaffnete Polizisten sollte das Messer ausreichen. Agent von Welt will ja ökonomisch handeln!

Umfang – Vom Auftragsmörder zum Serienkiller (8/10)

Die Verkleidungen, der Instinkt, das „Dead Eye“, die Waffen und oft multiple Wege, um eure Gegner auszuschalten, geben immer Spielraum für einen neuen Ansatz. Besonders die Umgebung zu nutzen und von Disco-Kugeln und Kugelfisch als Mordwaffe Gebrauch zu machen hat stets einen ganz speziellen Reiz. Und da viele Level abermals eine Vielzahl solcher „environmental kills“ anbieten, wird der Wiederspielwert nur noch weiter erhöht.

Die kurzen Ladezeiten sorgen zudem dafür, dass es weniger Frust, als viel mehr Neugierde und Perfektionswut sind, die euch dazu verleiten Abschnitte und teils ganze Level mehrmals zu wiederholen. Dem entgegen wirken nur die Passagen, die deutlich auf die Story Rücksicht nehmen und sich in ihrer Vielfalt stark einschränken. Dazu gehört schon mal ein Bosskampf oder ein von der Geschichte getragenes Intermezzo ohne Mehrspielwert. Diese Momente sind im Gegensatz zu den abwechslungsreichen und stark designten Leveln – die man bezeichnenderweise dem Gameplay zu Liebe und nicht der Story wegen immer weiter spielt – allerdings klar in der Unterzahl.

Außerdem sollte erwähnt werden, dass „Hitman Absolution“ über insgesamt fünf(!) Schwierigkeitsgrade verfügt. Die Beschreibung des höchsten Grades „Purist“ lässt in mir jede Vorstellung von Spielspaß absterben. Für Hardcore-Gamer sollte also gesorgt sein. Genauso lässt das Spiel aber auch Spieler aller Art langsam Zugang finden. Eine schrittweise Herausforderung ist somit nicht nur leichter möglich, sondern schon der Grundgedanke der oftmaligen Wiederholung von Abschnitten kommt solcherlei Ansätzen entgegen.

Der Onlinemodus hingegen ist ein Muss für Spiele heutzutage, um möglichst lange den Wert zu erhalten. Zwar stecken im „Contract“-Modus jede Menge Ideen, doch die Umsetzung erinnert an Spiele wie „Uncharted 3“ und „The Last Of Us“. Trotz Mühe und vieler Ideen fühlt sich der „Contract“-Modus wie eine abgespeckte und nicht so perfekt abgestimmte Mischung des Singleplayers an. Doch auch ohne die Online-Inhalte kommen selbst stringente Spieler auf um die 12 Stunden Spielspaß (und davon bereiten auch mindestens 10 Stunden wirklich durchgehend Freude!). Wer auf die erwähnten Möglichkeiten eingeht und vom wirklich starken Spielsystem nicht genug bekommt, der verbringt bestimmt über 20 Stunden mit diesem Mordsspaß.

Via flickr by CommunityMagHitman Online

Wenn die Online-“Contracts” in den Leveln des Singleplayers gut gestaltet sind, bringen auch diese ordentlich Nervenkitzel und Spielraum

Technisches – Zum Sterben schön (8/10)

„Hitman Absolution“ sieht toll aus. Besonders Lichteffekte – nicht die stilistisch fragwürdige Überbelichtung in Cutscenes – und Menschenmassen holen viel aus der Konsole raus. Auch wenn Agent 47 oft im Dunklen unterwegs ist, strotzen die meisten Level vor Details und das fast schon abstoßend klare Design spiegelt die moralisch hässliche Welt des Titels hervorragend wieder. Der Soundtrack hingegen wird nur durch ein paar intensive „Inception“-Bläser aufdringlich. Ansonsten lebt das Spiel von atmosphärischen Geräuschen der Umwelt, damit Spieler sich aufs Meucheln konzentrieren können.

Der bereits angesprochene Stil der Figuren im Spiel drückt sich nicht nur über ihre Wortwahl und ihrer psychotisches Verhalten, sondern auch einen sehr überzogenen, gewollt hässlichen Stil aus. Hier setzen die Macher auf Hit & Miss und schlagen genau so oft über die Strenge, wie sie gleichzeitig in anderen Momenten durch das Design bestechen. Egal ob man den Stil letztlich als eher schlecht als recht im Kopf behält, geht Agent 47 nicht in der Masse unter.

Via flickr by CommunityMag

hitman screenshotKeine Rendersequenz… das hier ist Ingame-Grafik!

Fazit – Lang lebe der Auftragsmörder

Ja, ich begebe mich in eine Punktewelt hinab. Das zählt nicht übergreifend und darf als Experiment verstanden werden. Dabei ist besonders zu beachten, dass diese Zahlen nicht einfach zusammengezählt werden können. Wer das Review aufmerksam gelesen hat, sollte wissen, dass das Gameplay im Vordergrund steht. Und bis auf ein paar von der Story ausgebremsten Momenten liefert „Hitman Absolution“ ein echtes Feuerwerk an Spielspaß und Einfallsreichtum ab. Da spielt die Story für mich gar keine Rolle. Allerdings bleibt die Warnung bestehen, dass jene, die sich eine epische Story um Agent 47 wünschen, bitter enttäuscht sein werden. Wer mehr im Sinne einer Arcade auf Punktzahlen und hohen, immer wieder starken Wiederspielwert legt, der hat hier einen verkannten Geheimtipp vor sich.