Der Winter eines jeden Jahres scheint oft das letzte Aufbäumen vor dem Neubeginn zu sein. Mit Weihnachten zieht der Konsum noch einmal so richtig an, während die Filmbranche ein letztes Mal die großen Blockbuster raushaut. Sei es das alljährliche Familienkino, die potenziellen Oscarnominierungen oder die großen Franchises, ein letztes Mal geht das fast schon vergangene Jahr in die Vollen. Da es auch hier in erster Linie ums Geld verdienen geht, garantiert diese Jahreszeit wahrlich keine Qualität, aber vielleicht wird man* am Ende doch überrascht. Hier also ein Blick von Max und Anni auf Catching Fire.

MAX:

Während ich im Kino saß, wollte ich „Hunger Games 2 – Catching Fire“ wirklich so gut finden wie die verrotteten Tomaten oder zumindest mein Freund Walde. Die Thematik hat für ein Jugendbuch eine schöne Mischung aus Tiefe und Verständlichkeit, der Cast sprüht vor im Grunde interessanten Nebencharakteren über und Katniss Everdeen hat sich im ersten Film als ansprechende Protagonistin mit einem eigenen Kopf bewiesen. Doch leider verheddert sich „Catching Fire“ in einem Netz aus filmischen Unzulänglichkeiten, die einen potenziell hervorragenden zu einem lediglich guten Film herabstufen, der viel Potenzial auf der Strecke liegen lässt.

Ich meine, wow, der Film macht Sachen richtig, die ich ihm nie zugetraut hätte. Auch wenn sich viele blindlings auf Jennifer Lawrences gute Performance stürzen, überrascht der Film damit, dass alle „guten“ Nebencharaktere einen ausgezeichneten Job machen. Liam Hemsworth nutzt seine wenigen Szenen, um seinen tapferen Charakter glaubwürdig zu verkörpern und gleiches gilt selbstverständlich für Josh Hutcherson, dessen Rolle als Peeta im zweiten Film auch endlich vom Casual-Love-Interest zu der eines selbstlosen Helden reift. Die Show wird jedoch von Elizabeth Banks gestohlen, die als Effie Trinket die glaubwürdigsten Emotionen und innere Zerrissenheit verkörpert, wobei der Anteil ihres Charakters am Film eigentlich minimal ist.

Via flickr by Slackerwood

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Peeta ist definitiv der heimliche Held des Films.

In den ersten anderthalb Stunden werden den Zuschauern die Folgen der Hunger Games gut vor Augen geführt. Vermehrte Unruhen, die Schwächen des Systems und dass Katniss eigentlich keine Heldin sein will, sind gute Säulen für eine Story und selbst der Twist am Ende des Films funktioniert einwandfrei und macht Lust auf den nächsten Film. Die leicht nachvollziehbar erzählte Story lässt allerdings nur selten gutes Pacing zu. Alles was in „Catching Fire“ passiert, ergibt Sinn, doch der Film geht von Beginn an nicht intelligent mit der Erzählung der Story um, vernachlässigt die in der Welt stattfindende Revolution und ihre Akteure sträflich und entpuppt ausgerechnet Katniss als bloßen Spielball der Ereignisse.

Katniss ist in letzter Konsequenz ist somit nie die handelnde Figur, sondern reagiert lediglich. Die Story verlässt sich derartig darauf, dass Katniss als Jesus Symbol der Freiheit etabliert ist, dass es vielen gar nicht auffällt, dass sie durch die Story als handelnde Person völlig ausgehebelt wird, was ihren Charakter phasenweise sehr langweilig erscheinen lässt. Dagegen schmerzt es, dass die Nebencharaktere in District 12 in Person von Gale und Katniss’ Schwester vom Film völlig übersehen werden. Sie bekommen jeweils ein, zwei starke Szenen, denen allerdings nie weiter nachgegangen wird und wir Zuschauer erfahren von ihren Taten nur über Erzählung, was eine sehr schwache Lösung ist.

Damit kommen wir auch zum größten Schwachpunkt des Films. Die Hunger Games. Nicht nur, dass das Szenario vertraut erscheint, nein, die Bedrohung der Spiele fällt weg. Inhaltlich ist die Prämisse zwar interessant, da die vorigen Sieger natürlich allesamt nicht nochmal an Spielen teilnehmen wollen (aber natürlich doch letztlich gegeneinander kämpfen) und auch für die Story-Entwicklung ist es wichtig, dass diese Spiele stattfinden. Allerdings haben die Spiele zu keinem Zeitpunkt Spannung, wirken teils wie ein unmotiviertes Potpourri aus Todesfallen und Action-Szenen und werfen die Struktur der ersten circa 90 Minuten völlig aus der Bahn.

Was ist mit der Revolution? Wie reagiert die Gesellschaft auf die Spiele? All das wird uns am Ende des Films in drei Sätzen von Liam Hemsworth erzählt. Warum der Film nicht den Mut hatte, sich von Katniss zu lösen und die startende Revolution zu zeigen und für wichtige Ereignisse der Spiele zwischen den Ereignissen hin und her zu wechseln, ist eine Frage, die mir auch bei den nächsten Malen noch den Kopf zerbrechen wird. Dass der Film gegen Ende die ganze aufgebaute Spannung für die mittelmäßigen Spiele über Bord wirft, ist der all zu braven Erzählweise geschuldet, die die Möglichkeiten eines Films schlichtweg nicht nutzt. Auch wenn das Buch eventuell diese Art von Erzählung vorgibt, bringt sie bei einer filmischen Umsetzung besagte Probleme mit sich.

Trotz dieser handwerklichen und erzählerischen Schwächen schafft es der Film glaubwürdige Charaktere mit einer guten Story zu verbinden. Und es gibt die starken Momente, wie Katniss’ und Peetas Live-Interview mit der Hauptstadt und das angedeutete Potenzial der Nebencharaktere. Dass diese Szenen entweder zu selten oder nicht konsequent verfolgt werden, ist schade, macht den Film jedoch nicht automatisch schlecht. Es handelt sich trotz erzählerischer Schwächen um fein inszeniertes Jugendkino, das über eine gut konstruierte – wenngleich schwach erzählte – Story und einige starke Charaktere, sowie eine gute Spur Intensität besticht.

ANNI:

Catsching Fire hat mich vollkommen überrascht und seit langem konnte ich endlich mit einem guten Gefühl aus dem Kino gehen. Da andere Kritiken sich vor allem auf die schauspielerische Leistung der Darsteller konzentrieren möchte ich den Fokus hier auf etwas anderes legen. Ja, das Schauspiel, die Kamera und das Licht sind wunderschön anzusehen, aber die Stärke der zweiten Verfilmung der Hunger-Games-Trilogie liegt für mich eindeutig in der Charakterentwicklung seiner Hauptfigur und der Dynamik zwischen dem vermeintlichen Liebespaar Peeta (Josh Hutcherson) und Katniss (Jennifer Lawrences).

Der Film setzt fast genau da ein wo uns der erste Teil zurückließ. Katniss kämpft mit dem Trauma, dass die Hunger Games in ihr zurückgelassen haben und versucht die für die Medien inszenierte Liebesgeschichte mit Peeta am Leben zu erhalten, um ihre Familie zu schützen. Außerhalb dessen hat sie so gut wie keinen Kontakt mit ihrem angeblichen Freund. Als sie zusammen mit Peeta die Tour der Sieger startet wird deutlich, dass Präsident Snow alles andere als überzeugt von Katniss Schauspielerei ist. Zusätzlich sehen wir die ersten Zeichen dafür, dass Katniss mit ihrem Handeln das Land an den Rand einer sich schon lange anbahnenden Revolution katapultiert hat. Letztendlich ruft Snow spezielle Hunger Games ins Leben, in denen nur ehemalige Sieger gegen einander antreten sollen, um Katniss aus dem Weg zu räumen.

Wie diese Zusammenfassung zeigt, ist die Story in Catching Fire durchaus komplexer als im ersten Teil. Wer eine zweite Version des ersten Films erwartet wird enttäuscht sein. Zwar nehmen wir das Geschehen weiter durch Katniss‘ Augen wahr, doch der Fokus geht immer mehr von ihr weg hin zu den gesellschaftlichen Probleme in Panem. Was dem Film dabei exzellent gelingt ist die Darstellung von Katniss‘ Kampf mit ihrer Rolle in der Rebellion. Es wird deutlich, dass ihre Priorität immer noch auf dem Schutz ihrer Familie liegt und das sie Angst vor den Konsequenzen eines Aufstandes hat. Trotz ihrer ausgeprägten Skepsis trifft sie letztendlich aber wiederholt Entscheidungen, die der Rebellion in die Hände spielen. Doch diese sind eben nicht auf ihre politische Einstellung, sondern ihre Menschlichkeit zurückzuführen. Damit gelingt es dem Film eine wichtige Problematik zu illustrieren: Der Konflikt zwischen dem Ideal, das eine Bewegung antreibt, und der Realität, die entsteht, wenn man* beginnt immer mehr Opfer zu bringen, die dieses Ideal vielleicht verraten.

Via flickr by LLvina

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Abermals ist das Design der Kostüme atemberaubend.

Neben Katniss erfährt vor allem Peeta mehr charakterliche Tiefe und wird zu einer der interessantesten Figur. Seine Gefühle für seine Hunger-Games-Partnerin sind ungebrochen und lassen ihn zum selbstlosen, heimlichen Helden des Films werden. Auch wenn er derjenige ist, der in den neuen Hunger Games wiederholt gerettet werden muss, verliert der Charakter nicht an Stärke, da es offensichtlich ist, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten bereit ist alles zu geben. Das sieht man* vor allem dann, als er bereit ist Katniss zu ihrem Schutz zu heiraten und eine Schwangerschaft erfindet.

Besonders spannend ist es zusätzlich zu sehen, wie kompliziert Katniss‘ Gefühle Peeta gegenüber sind. Zwar versucht sie stets die Liebesgeschichte zwischen den beiden als etwas Gespieltes abzutun, aber wie schon im ersten Teil angedeutet, verbergen sich unter der Fassade echte Empfindungen. Doch auch wenn Katniss für die Menschen, die sie liebt, bereit ist alles zu riskieren (und das schließt Gale (Liam Hemsworth) und Peeta mit ein), zeigt uns der Film auf der anderen Seite, dass die romantische Liebe keine hohe Priorität in ihrem Leben hat. Ihr Trauma, die Angst um ihre Familie und vor der Zukunft lassen ihr keinen Raum um in romantische Träumereien zu verfallen.

Obwohl ich genauso genervt bin wie jede*r anderen von den ständigen Love-Triangeln in Jugendfilme und –romanen, sind die Beziehungen zwischen Katniss, Gale und Peeta für mich nicht überflüssig. Denn auf der einen Seite wird die Medienkritik der Filmreihe vor allem über die vermeintliche Liebe zwischen den Hunger Games Held*innen verhandelt. Auf der anderen Seite wiederum steht die Zerrissenheit zwischen Peeta und Gale für die Erfahrungen, die viele Jugendliche in ihrer Pubertät machen, nämlich die verwirrenden Gefühle gegenüber dem anderen Geschlecht und das Verschieben der Wahrnehmung, wenn die sexuelle Anziehung hinzukommt.

Die notgedrungene Konsequenz des Fokus auf Katniss und ihr Umfeld ist, dass wir von der Rebellion selbst (noch) nicht so viel zu sehen bekommen. Dieser Umstand ist in erster Linie auf die Buchvorlage zurückzuführen, was sicherlich keine Ausrede sein kann. Aber auch wenn manch eine*r das als frustrierend empfindet, bleibt die Stärke des Film die Ambivalenz und Tiefe der Hauptfigur, die sonst höchstwahrscheinlich unter mehreren Storysträngen gelitten hätte. Schon jetzt stellte sich bei Catching Fire ein ähnliches Gefühl wie bei The Dark Knight Rises ein. Zwar würde ich den Film nicht als langatmig beschreiben, aber dennoch spürt man* an einigen Stellen die Dauer der Zeit, die man* im Kino verbringt. Nichtsdestotrotz hat Catching Fire trotz der Katniss-Perspektive viel zu erzählen und der Verfilmung gelingt es gerade so unnötige Längen zu vermeiden und die beiden großen Teile – die Tour der Sieger und die Hunger Games – konsequent zu verbinden.

MAX meint: „Catching Fire“ ist auf dem Papier und in vielen Ansätzen ein richtig starker Film. Thematik und Charaktere sind überzeugend dargestellt. Die Erzählungsweise des Films hingegen lässt Potenzial auf vielen Ebenen immer wieder auf der Strecke liegen, was verhindert, dass „Catching Fire“ ein Anwärter auf den Blockbuster des Jahres ist. Dank der vielen guten Ansätze bleibt das Interesse an der Reihe jedoch bestehen und die Hoffnung bleibt, dass die nächsten zwei Filme auch cineastisch die Versprechen der Story einhalten.

ANNI meint: Catching Fire ist eine frische Brise in dem Gestank, der sich dieses Jahr Mainstream-Kino schimpft. Selten bekommt man* einen Blockbuster mit einer so interessanten Hauptfigur zusehen und ist gleichzeitig noch visuell unterhalten. Auch wenn der Film nicht für jede*n perfekt sein wird, seine Stärken trösten ohne Probleme über die Schwächen hinweg.