Diesen Monat haben wir anscheinend das Thema Deutsches Kino auf Daran geht die Welt zugrunde. Zumindest besprechen wir im November mit Fack ju Göhte den dritten deutschen Film, der zusammen mit Frau Ella zur Zeit die Kinocharts dominiert – leider. Denn bei diesem Film läuft so viel falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

Die Geschichte ist dabei denkbar einfach. Der Bankräuber Zeki Müller (Elyas M’Barek) wird aus dem Knast entlassen und will endlich die Beute genießen, wegen der er für dreizehn Monate eingesessen hat. Unglücklicherweise hat seine Komplizin Charlie (Jana Pallaske) die Beute auf einer Baustelle der Goethe-Gesamtschule vergraben, als diese eine neue Turnhalle gebaut hat. Die Lösung für das Dilemma? Zeki bewirbt sich auf die frei gewordene Stelle des Hausmeisters. Aber ehe er sich versieht, wird er der neue Aushilfslehrer und muss sich unter anderem mit frechen Schüler*innen und seiner Vorzeigekollegin Lisi Schnabelstedt (Karoline Herfurth) rumschlagen, während er nach seinem Geld gräbt.

Die Story ist nicht neu, hat aber prinzipiell Potenzial. Der Regisseur und Drehbuchautor Bora Dağtekin (Türkisch für Anfänger) schafft es allerdings nicht nur diese Idee langweilig zu gestalten, nein, er tritt sie mit Füßen und verliert sich dabei in der Überzeichnung der Figuren und politisch inkorrekten Witzen. Für eines ist der Film dann doch noch gut: eine Lehre für Filmschaffende, was sie nicht machen sollte. Hier ein kleiner Auszug des Ich-möchte-das-nie-wieder-im-Kino-sehen-Büchleins, dass ich angefangen habe zu schreiben.

Achtung, Achtung, vor dem Weiterlesen sei vor Spoilern und ranting gewarnt!

Lektion 1 – Voice Over:

Dass uns die Gedanken der Hauptfigur durch den Film geleiten, ist nicht neu und zur Zeit leider sehr weit verbreitet. Fast jeder Film des Mainstreams macht davon mittlerweile gebrauch. An sich handelt es sich dabei um ein legitimes Mittel um uns einen Einblick in die Gedanken unser*es Protagonist*in zu geben. Aber lieber Herr Dağtekin, den ganzen Film ohne Voice Over zu arbeiten und dann plötzlich aus dem Nichts den inneren Monolog unserer ach so gepeinigten Hauptfigur zu zeigen, ist einfach nur grob. Entweder mensch setzt auf dieses Stilmittel oder lässt es bleiben, aber nach der Hälfte des Films den Erzählstil so rudimentär zu ändern – frei nach dem Motto: Ich kann ja! – irritiert maßlos. Und das schlimmste ist, dass es nur einen einzigen Grund für das Voice Over gibt: Dem Film gelingt es in der Stunde davor nicht auch nur ansatzweise die Hintergründe von Zeki zu erklären. Ich kann es mir bildlich vorstellen, wie Dağtekin vor dem Drehbuch saß und dachte: “Scheiße, die Figur braucht ja noch Tiefe… Ach komm, innerer Monolog geht immer!” Auf einmal ist da eine Lehrerin, die Zeki gesagt hat, er wird eh nie was werden, damit wir auch ja verstehen, warum unser Charakter so ‘gepeinigt’ und nichts ‘richtiges’ im Leben geworden ist. Gut gemacht, lasst uns alle zusammen Krokodilstränen weinen. (/sarcasm)

Lektion 2 – Objektivierung des Protagonisten:

Seien wir doch ehrlich, der Film arbeitet aggressiv mit M’Bareks gestähltem Körper – ein Trend, der sich nicht nur im amerikanischen Kino abzeichnet und genauso kritisiert werden muss wie die Objektivierung von Frauen. Besonders traurig wird das Ganze aber, wenn sich das Filmteam offensichtlich nicht einmal Mühe gibt, so zu tun als wäre dieser Umstand storyrelevant. Denn normalerweise bekommen wir die entsprechenden tausend Einstellungen ‘wenigstens’ im Kontext der Geschichte, dass heißt, wenn beispielsweise Figur A auf Figur B trifft und aus allen Wolken fällt, dass diese so schön/sexy/attraktiv ist. Aber warum auch sollte man* sich dieses ‘Zwängen’ unterwerfen, es geht ja eh nur darum, das Sixpack von M’Barek zusehen, da kann man* ja auch ehrlich sein. Stattdessen bekommen wir also in diesem ‘Meisterwerk’ diese Einstellungen wahllos, während Zeki im Keller ist. Nachts, allein und in den Eingeweiden der Turnhalle, zieht der gute Herr Müller sein T-Shirt aus, damit  der ganze Saal lechzen kann, während manch andere*r sich nur denkt: Eh, wieso jetzt? Denn normalerweise nimmt die Kamera in diesen Objektivierungssituationen den Blick einer Figur ein, aber in dem fucking Keller ist NIEMAND außer Zeki, der nach dem Geld gräbt!!

Via flickr by TFDuesing

sixpack

Jap, in dem Film geht es eigentlich nur um M’Bareks Sickpack und den Rest seiner Muskeln.

Lektion 3 – Das nostalgische Objekt:

Ihr kennt es vielleicht. Der Held/die Heldin kämpft mit den Hindernissen, die ihm*ihr das Leben in den Weg geworfen hat. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, da fällt ihm*ihr plötzlich dieses eine Objekt in die Hände, das die Erinnerung an bessere, schönere Zeiten wachruft. Auf einmal hat er*sie wieder Kraft sich gegen das Böse zu stemmen und alles wird gut. Auch hierbei handelt es sich um ein Motiv/Stilmittel, das fast so alt wie das Kino selbst ist. Funktionieren tut das Ganze allerdings nur, wenn die Zuschauenden das Objekt bereits kennen. Wenn aber unsere Protagonist, nennen wir ihn Zeki, den Gegenstand findet, sagen wir eine Federtasche, und der Film erst mal eine Minute braucht um die Bedeutung des Objekts zu erklären, das wir vorher nie gesehen haben, DANN LÄUFT ETWAS FALSCH! Dabei steht dieser billige Einsatz von Klischees symbolisch für andere Situationen im Film, in der uns die emotionale Motivation einer Figur deutlich gemacht werden muss. Als Zeki am Ende des Films fast rückfällig wird und einen Banktransporter überfallen will, gesteht ihm Lisi mehr oder weniger ihre Liebe, dann tauchen Schüler auf, die ihn um etwas bitten und dann fährt der Zug vorbei, den die Klasse zusammen mit ihm und Lisi besprüht hat. Bei der ersten Sache ist man* noch einfach nicht überrascht, bei der zweiten rollt man* die Augen und bei der dritten hält man*, wenn man* Anni heißt und in Trier im Kino sitzt, den Stinkefinger gen Leinwand.

Lektion 4 – Stereotypen:

Ja, ja die Stereotypen. Man* kann nicht mit ihnen, aber auch nicht ohne sie. Stereotype erlauben uns Charaktere schnell einzuordnen und können gleichzeitig dazu dienen Klischees in Frage zu stellen. Deswegen tauchen sie in fast allen (Mainstream)Filmen früher oder später auf, aber wie so oft ist das ‘wie’ entscheidend. In Fack ju Göhte scheint es das Motto zu sein: Je extremer, desto besser, Hauptsache politisch inkorrekt. Ein Aspekt, für den Dağtekin seit Türkisch für Anfänger fast immer gelobt wird… Was allerdings bei Türkisch für Anfänger vielleicht noch funktioniert hat, geht bei Fack ju Göhte in keinster Weise auf. Denn hier wird überzeichnet und überzeichnet, aber diese Extreme werden in keinen Kontext gesetzt. Sie dienen nicht dazu etwas zu kritisieren, sie sind nur die Grundlage für Lacher. In den ersten fünfzehn Minuten ist das vielleicht witzig, aber danach wird es vor allem erstmal langweilig. Besonders schwierig ist, dass dieser Film einen klassischer Fall vom bloßen Reproduzieren von Rollenbildern darstellt. Hier werden Charaktere lediglich mit Stereotypen aufgefüllt ohne sie mit Tiefe anzureichern.

An einer Stelle schüttet Zeki Lisi K.O.-Tropfen ins Getränk um ihr Zeugnis zu kopieren, haut ihr dann auf den Po und tut am Ende vor ihrer Mitbewohnerin so, als wären sie wirklich im Bett gelandet. Ehrlich gesagt kann ich darüber nicht lachen, denn solche Situation sind in der wirklichen Welt (in anderen, schlimmeren Ausmaßen) harte Realität. Versucht der Film irgendwie zu kommunizieren, dass das vielleicht falsch ist? Nein! Zeki bleibt der Coole, der einfach nur sich selbst finden muss und die richtige Motivation im Leben brauchte. Besonders merkwürdig ist allerdings die Reaktion von Lisi, die obwohl sie keinen Alkohol getrunken hat, davon ausgeht, dass sie betrunken war und sich deswegen nicht erinnern kann. Vor allem aber hinterfragt sie an keiner Stelle Zekis Verhalten, sondern nimmt dieses einfach so hin… Weltfremder kann ein Drehbuch kaum geschrieben sein. In einer Welt, in der Roofies zum Alltag gehören, würde wohl keine Frau einfach so mit den Schulter zucken und annehmen, dass sie das wohl vergessen hat.

Solche Szenen finden sich zu Hauf in Fack ju Göhte. Untermalt wird das Ganze von anderen ‘netten’ Stereotypen zu Harz-IV-Empfänger*innen, Nerds und Männlichkeitsbilder. Am Ende gibt es noch einen Lacher auf das dicke Mädchen. Ach, war es nicht lustig. (/irony)

Lektion 5 – Gewalt:

Gewalt ist der Oberlacher in diesem Film. Schon im Trailer sieht man*, wie Zeki auf die Kinder mit einer Paintball-Waffe schießt. An einer anderen Stelle schmeißt er zunächst einen Schüler ins Wasser und drückt ihn danach unter die Oberfläche um ihm eine Lektion zu erteilen. Zurecht macht ihn Lisi darauf aufmerksam, dass es jetzt Ärger geben wird. Aber natürlich kommt es anders. Stattdessen lässt der Vater des besagten Schülers durchblicken, dass es schon ok ist dem Jungen ein oder zweimal etwas hinter die Löffel zu geben, sonst lernt der ja eh nicht. Wie alles andere wird diese Aussage nicht in einen Kontext gesetzt. Während es um mich herum lachte, war ich ein bisschen fassungslos, weil Gewalt ja so eine TOLLE LÖSUNGSSTRATEGIE IST!? Die ‘positiven’ Männlichkeitsbilder (/irony) grüßen wild winkend, während sich die Generationen, die darum gekämpft haben, dass Kinder in der Schule nicht mehr geschlagen werden, einmal im Strahl übergeben.

Das Fazit:

Fack ju Göhte ist ein schlecht erzählter Film mit oberflächlichen Charakteren und billigen Lachern, der gutes Kino mit Füßen tritt. Wenn euch diese Art von Geschichte interessiert, empfehle ich einen gemütlichen Filmabend mit Sister Act 2. Dort hatte mensch wenigstens Respekt vor den Figuren und versucht bei allem Humor ein bisschen zu zeigen, was das eigentliche Problem ist, anstatt sich in dem politisch Inkorrekten auszuruhen. In Anbetracht des Konsums diesen Filmes, muss ich meine Kritik zu Frau Ella revidieren – Gegen Fack ju Göhte ist Schweighöfers Komödie ein Meisterwerk des deutschen Films.