Sucht man nach Parteien, die mit ihren Wahlplakaten tatsächlich noch Aufsehen erregen, dann muss man sich auch weiterhin links und rechts des politischen Zentrums umschauen. Selbst die Piraten haben ordentliche, fast schon zahme Wahlplakate auf denen eine Forderung (z.B. „kein Überwachungsstaat“) neben einem unbekannten, lächelnden Gesicht auftaucht. Das tut keinem weh, macht bei genauerem Nachdenken strukturell aber fast genauso wenig Sinn wie das CDU-Bashing der Grünen oder das ALLE-Bashing der AfD.

Anstatt dem Wähler politische Botschaften mit visueller Untermalung zu präsentieren, bleibt es am Ende oft dabei, dass man versucht andere durch den Kakao zu ziehen oder zu wichtigen Themen nicht mehr zu bieten, als charmant in die Linse zu glotzen. „Nicht mit uns“, mag sich die Linke gedacht haben, die auf Wahlplakate mit deutlichen Forderungen setzt. Wie diese zu bewerkstelligen sind, bleibt dahingestellt. Aber immerhin wird in diesem Fall klar ausgesprochen, warum man die Partei wählen sollte. Ob die Versprechen eingehalten werden, ist natürlich wie immer ohne Gewähr. Es geht gerade lediglich um das Prinzip, bevor einige Leser schon jetzt Heugabeln und Fackeln auspacken, um einen vermeintlichen Pro-Linke-Artikel wie eine Sau durchs Dorf zu treiben.

Für das eigentliche Thema dieses Artikels sollten wir zunächst zurück ins Jahr 2011 gehen, als die NPD sich mit linguistischer – nennen wir es euphemistisch – Raffinesse um eine Klage wegen Volksverhetzung (Strafgesetzbuch, §130) wand. Mit Wahlsprüchen wie „Gas geben!“ fing der Spaß erst an. Das unbestrittene Meisterwerk der Wahlplakate 2011 war das Stück „Guten Heimflug“. Ohne Zweifel haben die zuständigen Tüftler dieses Wahlplakats sich Gedanken gemacht, wie man mit Stereotypen und Zynismus ausländerfeindlich sein kann, sodass es jeder versteht, aber niemand aufgrund der Rechtsgrundlage offiziell klagen kann.

Via endstation-rechts.de

npd_heimflug

Ohne Worte…

Diese rhetorisch und sprachlich nicht unbedingt anspruchsvolle Schlagfertigkeit hat die NPD auch dieses Jahr wieder zu Tage gefördert. Das Plakat „Maria statt Scharia“ prangt mit aschblonder junger Frau über dem Namen Maria und daneben einer vermummten Frau. Damit auch jeder versteht, was die großteils wahrscheinlich nicht mal blonden NPD-Mitglieder sich in Deutschland wünschen, ist dieses Plakat genau das Richtige. Aber trotz dieses kleinen Stolpersteins muss man aus rechtlicher Perspektive abermals sagen: „Chapeau!“ Obwohl einige Städte die NPD aufgefordert haben Wahlplakate abzuhängen, sind rechtliche Konsequenzen wohl auszuschließen.

Warum? Nun, dass jeder normal denkende Mensch die Ausländerfeindlichkeit in besagten „Maria“- oder auch „Geld für Oma, statt für Sinti und Roma“-Plakaten erkennen kann, reicht für einen Rechtsstaat nicht. Wir haben nun einmal Redefreiheit. Und leider reicht es zu behaupten, dass man ja nur aussagen wollte, dass man den Namen Maria und blonde Mädels hübscher findet und dass die arme Oma eher Geld bekommen sollte als die Zigeuner. Das sei doch bloß die eigene Meinung, die nichts mit zufällig übereinstimmenden Rassismus-Gedanken zu tun hat.

Die Schlingel von der NPD könnten sich am Ende sogar hinstellen und aus juristischer Sicht mit Recht sagen, dass es erst die ganzen Gegner der NPD seien, die das rechtsradikale Gedankengut in ihren Botschaften suchen und so unter die Leute bringen. Dieser Gedanke muss erst einmal gut verarbeitet werden, wenn man weiterhin die Hoffnung hegt, dass die NPD verboten werden könnte. Solange sie auf diesem Niveau arbeiten, gibt es keinen rechtlichen Grund sie zu verbieten. Es bleibt beim mahnenden Zeigefinger und der Aufforderung, die einer Bitte(!) gleichkommt, dass man doch bitte seine Plakate wieder abhänge.

Via Facebook

maria statt scharia

Sind das die Weltbilder, die wir in unserer Gesellschaft zeichnen möchten?

Seit einigen Tagen stehen die Wahlplakate der NPD allerdings im Schatten einer moralisch noch fragwürdigeren Kampagne. Kondome mit der Aufschrift „Für Ausländer und ausgewählte Deutsche“ wurden zusammen mit einem Schreiben landesweit verteilt (ähnlich wie die Plastik-Embryos des katholischen Vereins „Durchblick“). Dank des nichtssagenden Slogans „Hose runter, Gummi drauf!“ und der letztlich unausgesprochenen Aufforderung sich nicht weiter zu vermehren, wird auch diese Kampagne in der Grauzone unseres Rechtssystems verebben. Tatsache ist, dass im vorliegenden Fall kein Straftatbestand erfüllt wird.

V für Verantwortung

Aber wo wollen wir mit solchen Feststellungen hin? Sollen wir den Rechtsstaat absetzen? Auch wenn (konstruktive) Kritik immer gern gesehen ist, fehlt es weiterhin an brauchbaren Alternativen. Rede- und Meinungsfreiheit sind ein schmaler Grat, der nicht vorsichtig genug angefasst werden kann. Wenn man die – zugegebenermaßen unmöglichen – Standpunkte der NPD verbietet, dann lädt der Staat sich selbst dazu ein, die Einschränkung jeglicher von der Norm abweichenden Meinungen voranzutreiben.

Das heißt jedoch nicht, dass man solche Kampagnen, wenn sie unseren moralischen und ethischen Verständnissen klar widersprechen, einfach hinnehmen soll. Vielmehr soll die dargelegte Tatsache, dass man nicht einfach auf einen Rechtsspruch des Staates warten kann, ermutigen selbst zur Tat zu schreiten und Toleranz, Normen und Werte in seinem Umkreis zu leben und zu fördern. Damit ist keine Selbstjustiz gemeint, sondern seine eigenen Standpunkte deutlich zu vertreten.

Genau dies ist es schließlich, was die NPD auf ihre Weise tut. Lautstark tun Menschen – wenn auch hinter der sicher erscheinenden Maskerade einer Partei – kund, was sie von Ausländern halten. Das einzig Produktive, was Gegner dieser Ansichten tun können, ist mit eigenen Idealen dagegen vorzugehen. Die Mitmenschen davon zu überzeugen, dass Dinge wie Herkunft, Kultur und Sexualität keine unumstößlichen Gründe sind, um sich voneinander Abzugrenzen und somit überhaupt erst ein hierarchisches Denken zuzulassen, ist die fortbestehende Aufgabe unserer Gesellschaft.

Via Flickr by Alexander Svensson

40469776_07d1b20943

Strikte Trennung von Menschen gehört in Zeiten der Globalisierung in die Tonne getreten

Was hilft es, wenn wir Artikel verfassen, die selbst mehr auf den Hass gegen solche Kampagnen und Weltansichten konzentriert sind, als die Leser dazu anzuhalten, das Gesellschaftsbild selbst in die Hand zu nehmen und zu formen. Was in den Wochen vor der Bundestagswahl wie eine von vielen Floskeln klingt, ist und bleibt genau eine solche, wenn der Einzelne sich weiterhin hinter dem Staat versteckt, anstatt selbst etwas für die öffentliche Wahrnehmung zu tun.

Gerade jetzt, wenn Fragen um Datenschutz und Überwachung wieder mehr in den Mittelpunkt der allgemeinen Interesse rücken, wäre es das absolut falsche Signal vom Staat zu fordern, dass er uns unsere Möglichkeit der freien Meinungsentfaltung nehmen soll. Wenn wir – das Volk, die Bürger oder wie man sich selbst gerne betitelt – weiterhin mit erdrückender Mehrheit solchen Kampagnen und damit in Verbindung stehenden Weltansichten wie „Hose runter, Gummi drauf!“ mit Verstand und Gewissenhaftigkeit entgegentreten, können wir solche Situationen souverän meistern.

Die Provokation seitens kleinerer Gruppen und extreme Ansichten wird es immer geben und es liegt in unserer Verantwortung uns immer wieder konstruktiv damit auseinanderzusetzen. Blinde Gegenprovokation darf uns nicht verleiten die Basis unserer fundierten Ideen einer gesunden Gesellschaft zu verlassen und – wie vor Wahlkämpfen leider allzu oft üblich – aus einer möglichen Diskussion eine Schlammschlacht zu machen, welche die wirklichen Probleme politisch fragwürdiger Botschaften überdeckt.