[Legende: Internet = #neuland]

Sagt euch der Name Zachäus etwas? Nicht so schlimm. Ich musste auch erst das allmächtige #neuland befragen, aber ich wusste zumindest wonach ich suche. Die Geschichte von Jesus und dem Zöllner kam mir sofort in den Kopf, als Microsoft direkt nach der E3 eine „180°-Wendung“ vollführte, was ihre Digital Rights Management (DRM) Police betrifft (mehr zu den ursprünglichen Voraussetzungen der Xbox One) .

Plötzlich ist das Tauschen und Verkaufen von Spielen kein Problem mehr. Die Konsole hat auch keine #neuland-Pflicht alle 24 Stunden mehr (was ehrlich gesagt, das geringste Problem war, da man heutzutage beinahe automatisch mindestens einmal am Tag mit der Konsole online ist). Mehr Details, was Microsoft alles verbessert hat, hat das #neuland schon zur Genüge durchgekaut.

Mir geht es, obwohl ich kein sehr religiöser Mensch bin, um die Parallele zu Jesus und dem Zöllner Zachäus. Warum? Nun, plötzlich stehen überzeugte Playstation-Unterstützer als die schwachen und ungerechten Pharisäer dort. Und ja, das Bashing Microsofts nimmt hier und dort wirklich überhand und entfernt sich von jeglicher Realitätsebene. Sollten wir nicht großmütig anerkennen, dass Microsoft aus den eigenen Fehlern gelernt hat und nun Gerechtigkeit (die Bedeutung des Namens Zachäus, by the way) übt?

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 Ist Microsofts Entschuldigung biblischen Ausmaßes? Via Wikimedia Commons by Reinhardhauke

Es gibt mehrere Punkte, warum man Microsoft für diese Kehrtwende nicht einfach abfeiern kann. Gleichzeitig muss man allerdings auch anerkennen, dass nach jetzigem Informationsstand „nur“ noch 100€ sicher zwischen PS4 (399€) und Xbox One (499€) stehen. Viele weitere Details zu beiden Konsolen sind weiterhin nicht offiziell bestätigt, auch wenn die Augenbrauen bei der Xbox One ein wenig höher gezogen werden.

Schließlich ist das #neuland der perfekte Ort für Paranoia und nicht wenige sehen es als wahrscheinlich an, das Microsofts angekündigte Besserungen einen Haken haben. Zum Beispiel werden die Spiele weiterhin auf der Festplatte installiert und es sind weiterhin externe Festplatten nötig, wenn der Speicherplatz nicht ausreicht. Ersterer Punkt ist dabei der wichtigere, da man das Spiel also auf seine Festplatte installieren muss. Aber das Spiel soll an die Disc gebunden sein… wäre es nicht sinnvoller, die Spiele deshalb nicht unbedingt installieren zu müssen? Die Stolpersteine sind noch klar zu erkennen, aber man sollte Microsoft das technische Know-How zugestehen, dass sie bis November einen fertigen Plan haben.

Zurück zu Jesus, Zachäus dem Zöllner und den Pharisäern. Microsoft bedarf einer zweiten Chance. Das steht ganz außer Frage. Zumindest von einem technischen Standpunkt aus gesehen. Die großen Nachteile in Sachen Benutzerfreundlichkeit scheinen bereinigt. Es gibt jedoch mehr als nur gute Gründe, warum es absolut unangebracht ist, die Geschichte vom Zöllner so einseitig zu verwenden.

Seit Veröffentlichung der Playstation 3 hat sich ebenfalls viel getan. Das außerhalb von Japan zu Beginn so gut wie überhaupt nicht unterstützte Stück Hardware, war so unbrauchbar, wie die Xbox One vor einer Woche noch erschien. Der amerikanische Markt (vom europäischen möchte ich in Bezug auf beide Konsolen gar nicht erst anfangen) war stets und zurecht irritiert vom weitaus weniger verständlich erscheinenden Support der Japaner. Erst 2009 erreichte der Service seitens Sony ein Niveau, welches wettbewerbsfähig erschien. Seitdem hat sich stetig etwas getan und die bisherige Präsentation der PS4 ist ein „Beweis“ (man sollte vorsichtig mit solchen Worten sein), dass man bei Sony darum bemüht ist zumindest gerecht zu erscheinen.

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Auch Sony ist nicht fehlerfrei, wenn es um Vermarktung geht. Die PS Vita ist seit Release ein kommerzieller Komapatient. Via Wikimedia Commons by Tokyoship

Genau hier sind wir beim aktuellen Problem der Vermarktung. Es gibt keinerlei Entschuldigung für die an jeder Ecke ausbleibende Etikette, die Microsoft in Form von Swag und ungerechtfertigtem Selbstvertrauen und -verständnis vortrug. #neuland-Größen wie Angry Joe wurde mitten ins Gesicht gelogen. Auf die Behauptung Joes hin, dass man die DRM-Police problemlos ändern könnte, wurde Joe verbal zurechtgewiesen. Und es handelt sich bei dieser Episode um keine Ausnahme. Selbst der sonst sehr unkritisch fragende Geoff Keighley (Gametrailers.com) konnte die Verkaufsstrategie des amerikanischen Großkonzerns nicht nachvollziehen.

Microsoft hat eine große Fanbase. Diese Fanbase hätte ihnen so ziemlich alles vergeben. Fakt ist, dass sie auch jetzt vergeben und – schlimmer – zu vergeben scheinen. Einen guten Monat lang hat Microsoft der Gamercommunity ins Gesicht gelogen. Das Schlimme ist, dass wir es alle gewusst haben. Und da reibt man sich als Journalist und aktiver Teilnehmer der Szene natürlich schon mal die Hände und übt sich in Schadenfreude, wenn man erfährt, dass die Xbox One im ganzen #neuland zerrissen wird und die Vorverkaufszahlen klar für den japanischen Magnaten sprechen.

Man kann nur hoffen, dass auf beiden Seiten der Fanlager die Pubertät bald hinter sich gelassen wird. Die Konsolen haben noch gute vier Monate, um uns mit tollen Gimmicks und fürchterlichen Einschränkungen zu überraschen. Man kann nur hoffen, dass Microsoft das Vertrauen seiner Käufer nicht abermals enttäuscht und Restriktionen in der Hinterhand behält. Gleichzeitig muss Sony den Versprechen Taten folgen lassen.

Die Gesamtsituation zeigt eigentlich nur, dass die Gamesbranche sich leider von nahezu allen Seiten wie ein großer Kindergarten anstellt. Sein wir ehrlich: den Status des Zachäus hat keiner der beiden Großkonzerne verdient. Es handelt sich hier nicht um die Armen und Schwachen. Die Konzerne, wie auch der Großteil der Kunden ist viel besser mit den privilegierten und voreingenommenen Pharisäern zu vergleichen. Steine werden dabei sowieso geworfen und da niemand ohne Schuld ist, wirft einfach der zuerst, der sich als unschuldig sieht. Den daraus folgenden Clusterfuck dürfen wir wohl noch mindestens bis in den November beobachten.