Es ist immer schwer eine Kritik über einen guten Film zu schreiben. Denn niemand will lesen, dass alles toll war, Spaß gemacht hat und sowieso irgendwie auch das letzte Bisschen gestimmt hat. Nichtsdestotrotz läuft einem hin und wieder ein Film über den Weg, der genau das ist – einfach gut. Auch wenn mensch meinen würde, dass sich dieses Gefühl bei allen Filmen, die für wichtige Awards nominiert sind, einstellen sollte, ist die Realität doch meist eine andere. Oft sind es andere Gründe, die einem*r eine glückliche Nominierung einbringen. Geld, Politik, Prestige oder einfach nur der Umstand, dass bekannte und geschätzte Filmschaffende nicht rechtzeitig für ihre entscheidende Werke ausgezeichnet worden sind – Sucht euch einen der Gründe aus. Doch zwischen diesen Produktionen, die sich jedes Jahr bei den Oscars finden lassen, gibt es genauso regelmäßig Glanzlichter, die mit einer Leuchtkraft strahlen, dass sie schwer zu übersehen sind. Nicht immer gewinnen sie, was frustrierend ist, aber in anderen Jahren werden sie nicht übersehen. Und wenn mensch sich die bisherigen Filmpreisverleihungen ansieht, dann stehen die Sterne gut für einen solchen Film.

Argo gehört in diese Kategorie und ist ein Thriller, der von vornherein eine eindringliche Dramatik entwickelt, denn schließlich beruht er auf einer wahren Begebenheit. Die Geschichte spielt in den 70ern und dreht sich um den Canadian Caper. Während der Geiselnahme von mehr als 60 Menschen in der US-amerikanischen Botschaft in Teheran gelingt es sechs Angestellten zu fliehen und Unterschlupf im Haus des kanadischen Botschafters zu finden. Nachdem absehbar ist, dass sich der Konflikt nicht innerhalb von wenigen Tagen lösen wird, schmiedet die CIA einen Plan die Geflohenen zu evakuieren. Im Zentrum des Ganzen steht die Figur des Tony Mendez, der als Spezialist für Extraction oder Exfil durch Zufall die Idee entwickelt die Produktion eines Science-Fiction-Films als Coverstory zu nehmen und den Geiseln so neue, kanadische Identitäten zu geben um sie über den Flughafen aus dem Land zu schaffen.

Das Dilemma mit der Verfilmung einer ‚wahren‘ Geschichte ist immer das gleiche. Egal wie authentisch und akribisch die Umsetzung stattfindet, letztendlich ist der Spielfilm selbst ein fiktives Gebilde. Selbst bei Dokumentationen, die auf die üblichen Elemente des Spielfilms verzichten, ist das eine ständig wiederkehrende Debatte. Schließlich zeigen die Macher*innen durch die Kamera das, was sie selbst für sehenswert befinden und produzieren letztendlich ihre eigene Abbildung der Wirklichkeit. Ein Film wie Argo liebäugelt mit diesem Drang zur Authentizität, muss aber letztendlich auch das abliefern, was von einem Thriller erwartet wird – Eine in sich geschlossene Geschichte und einen sich zuspitzenden Spannungsbogen. Diese Elemente meistert der Film mit Bravour, aber es ist der Bezug zu den realen Ereignissen, der dem Film seine Durchschlagkraft gibt. Das soll nicht heißen, dass wir hier eine ‚objektive‘ Darstellung der Ereignisse vorfinden, aber wie Ben Affleck selbst gesagt hat, allein die Tatsache, dass diese absurde Geschichte wirklich passiert ist, macht das Dargestellte so unglaublich interessant.

Das Alles wäre aber bedeutungslos, wenn Affleck hier nicht ein Regiemeisterstück abgeliefert hätte. Argo spricht unglaublich viel über seine Bilder. Er räumt den Einstellungen und Farben Zeit ein zu wirken und nutzt sie so exzellent um mit ihnen zu kommunizieren. Zu keiner Zeit kommen beispielsweise Untertitel (Ort XY oder so und so viel Tage später) zum Einsatz. Allein durch die Kamera und den sehr bewussten und oft zurückhaltenden Einsatz von Musik wird deutlich, ob wir uns im Iran oder Hollywood befinden. Genauso machen mehrmals Schnitte auf alte Nachrichtensendungen oder die Einbindung von alten Talkshows in einzelne Szenen den Bezug zum Realen deutlich und rufen ins Gedächtnis, dass das Gezeigte Wirklichkeit war. Nun ist das alles nicht unbedingt etwas Neues, aber trotzdem ist es nicht selbstverständlich, dass es so wunderschön und rund umgesetzt wird. Argo lebt von seiner dichten Atmosphäre und den Spannungen zwischen der bedrückenden Realität in Teheran, der rationalen Geschäftigkeit in Washington und dem bunten, weltfernen Glamour Hollywoods. Und auch wenn der*die Zuschauende vorher weiß, dass die Geschichte gut ausgehen wird, so rollen sich einem*r in den letzten 15 Minuten fast die Zehnnägel hoch, weil die Spannung unerträglich ist.

Das Alles geschieht ohne unnötige Actionszenen oder Verfolgungsjagten. Es gibt keine dramatischen Explosionen oder rasante Kamerafahrten. Der Film ist gezeichnet von einer inneren Ruhe und Gesetztheit, die schließlich dafür sorgt, dass es einem*r an die Nieren geht, wenn die Protagonisten am Flughafen um ihr Leben fürchten. Und filmerisch lenkt nichts von der Tatsache ab, dass hier nur einige Menschen mit einer guten Idee, Kreativität und verbaler Überzeugungskraft das Überleben der Gruppe sichern. Doch trotz der bedrückenden Schwere der Story gelingt es den Macher*innen hin und wieder Leichtigkeit zu erzeugen und bewusst zu machen wie hirnrissig der entwickelte Plan eigentlich ist. Vor allem zum Beginn der Geschichte profitiert der Film hier von John Goodman und Alan Arkin, die mit Zynismus aber auch Leidenschaft diesen ersten, nahezu lustigen Teil mit Leben erfüllen, als es darum geht, der Welt vorzugaukeln, dass ein SiFi-Film produziert werden soll.

Doch letztendlich ist es auch im Schauspielerischen Ben Affleck, der am meisten Eindruck hinterlässt. Nicht weil er eine besonders beeindruckende Rolle hat oder eine über alles herausragende Leistung abliefert, sondern weil er sich komplett zurück nimmt und den Vordergrund meidet, aber gleichzeitig seine Präsenz immer spürbar ist. Wie der Film selbst strahlt er eine kraftvolle Ruhe aus und ist so das Fundament, auf dem der Rest des überzeugenden Casts aufbauen kann.

via iheartstockings

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Ben hätte die kleine Variante verdient!

Umso überraschter war die Filmgemeinschaft, als die Nominierungen für die Oscars verkündet wurden und Argo zwar als Bester Film, aber Affleck nicht als Regisseur nominiert wurde. Und so ist er bisher der einzige, der sowohl einen Golden Globe als auch den Award der Directors Guild of America gewonnen hat und nicht gleichzeitig Aussichten auf einen Oscar hatte. Sicher ist auf alle Fälle, dass sich Argo bei mir auf den ersten Platz meiner Top 7 katapultiert hat und sowohl einen Preis für das Drehbuch, als auch den Besten Film verdient hätte. Bisher stehen die Sterne gut für Afflecks Werk, doch selbst wenn diese Preise an ihn gehen, wird es nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die Academy abermals den Favoriten für die Beste Regie schlicht und einfach übersehen hat.