Mit Weihnachtsgeschenken ist das so eine Sache. Ich habe ja darauf verzichtet einen Aufreger über Weihnachten zu schreiben, da ich finde die Themen „Weihnachten = Kommerz“ und „Geschenke selber basteln“ geben nicht mehr allzuviel her. Schließlich ist das ja doch immer eine Frage dessen, wie man selbst aufgezogen wurde, welche Rolle die Eltern dabei spielten usw., kurz: es wird schnell persönlich. Dennoch beschäftigt mich dieses Thema nun, da mir meine Mutter zu Weihnachten das Hörbuch „Er ist wieder da“ unter den Weihnachtsbaum gelegt hat. In der Geschichte geht es um Adolf Hitler, der Ende April 1945 irgendwie aus der Zeit gefallen ist und im Jahr 2011 in einem Berliner Hinterhof wieder aufwacht. Er startet dann eine Karriere im Fernsehen und steigt schnell, von allen für einen genialen Hitler-Imitator gehalten, in der deutschen Medienlandschaft auf. Die Krux dabei: Das ganze ist vom Autor Timur Vermes in der Ich-Perspektive verfasst, man nimmt bei der ganzen Geschichte also die Perspektive von Hitler ein. Hm… Die Geschichte ist gedacht als Satire und lebt in seinen Witzen natürlich von der rassistisch und nationalistisch geprägten Vorstellungswelt der Nazis, die sich plötzlich mit dem multikulturellen Leben in unserer Informationsgesellschaft auseinandersetzen muss. Das Hörbuch hat durchaus lustige Stellen, wirkt im großen und ganzen aber etwas gewollt komisch. Aber es soll nicht um die Qualität des Werks gesehen, sondern um den mulmigen Eindruck, den es hinterlässt: Wird hier Hitler verharmlost, indem wir als Leser*innen seine Perspektive einnehmen? Darf man mit jemandem Lachen, der auf die eine oder andere Weise für so viel Leid verantwortlich ist?

Wenn Chaplin ihn spielt, dann wahrscheinlich schon. Via quicheisinsane

 Nun bin ich mit Sicherheit der letzte, der sagen würde, dass der GröFaZ („Grösster Führer alles Zeiten“, hier ironisch gebraucht) nicht lächerlich wäre oder dass man über ihn keine Scherze machen dürfte. Denn aus heutiger Sicht wirken seine Ansichten und seine ausufernde Artikulation durchaus komisch. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass diese Ansichten vom größten Teil des deutschen Volkes einmal ernst genommen wurden und man auch nicht über Hitlers Fuchteleien am Rednerpult gelacht hat. Um dies alles irgendwie zu verarbeiten hat sich mittlerweile durchgesetzt, Hitler und seine sogenannten „Paladine“ (also die Führungsriege) als „Monster“ abzustempeln. Aber diese Sichtweise macht es zu einfach, sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Denn dadurch, dass man Figuren wie Hitler entmenschlicht und sie zu Monstern abstempelt, muss man sich nicht weiter damit beschäftigen, was die Gründe für diese Untaten waren. Die Menschen damals waren einfach böse (oder „verführt“, wie uns Guido Knopp ja immer weismachen will) und deshalb sind böse Dinge geschehen, die heute nicht mehr geschehen können, weil niemand so böse Menschen zum Kanzler macht.

 
“Peter, denke daran: Mit bösen Menschen kommt böse Werbung!” Via Onitz

Aber diese Begründung ist viel zu einfach, abgesehen davon, dass mensch um Kanzler zu werden immer auch Menschen braucht, die einen wählen. Viel wirkungsvoller finde ich, sich die Tatsache zu vergegenwärtigen, dass die unglaublichen Verbrechen der Nazis von Menschen verübt wurden. Menschen, die sich letztlich nicht von uns heute lebenden unterscheiden. Bis auf eine Sache: Die Ignoranz gegenüber den Mitmenschen in Form einer willigen Inkaufnahme, das eigene Überleben oder die Karriere auf den Leichen von anderen Menschen aufzubauen. Menschenverachtung nennt man das ganze dann und dies ist mit Sicherheit ein „böser“ Charakterzug. Aber was wir uns klar machen sollten ist, dass ab 1933 nicht plötzlich alle Menschen diesen „bösen“ Zug bekommen haben, weil vielleicht das Radio mit seinen seltsamen elektrischen Wellen die Hirne aller Völker manipuliert hat. Nein, diese Menschenverachtung ist in jedem*jeder von uns angelegt und wir alle müssen fast täglich gegen den Hitler in uns selbst ankämpfen. Und es ist auch nicht so, als ob diese Ignoranz gegenüber der Menschlichkeit 1945 aufgehört habe: Menschen töteten Menschen grausam in Serbien und in Ruanda und auch heute noch.

 Welch unangenehme Tatsache die Erkenntnis ist, dass ein Mensch kein „Monster“ sein muss, um schlimme Dinge zu tun, zeigen die Reaktionen auf Hannah Arendts Buch „Eichmann in Jerusalem“. Ihr Bericht über den Eichmann-Prozess in Jerusalem hat in der letzten Woche diesen Monats noch einige Brisanz erlangt, da Margarethe von Trotta diese Episode aus Hannah Arendts Leben verfilmt hat und dieser Film nun in den Kinos anlief. Eine der Diskussionen um das Buch war, dass Arendt der Meinung war, Eichmann (während des Nationalsozialismus zuständig für die Deportierung der Juden in die Vernichtungslager) sei eben kein Monster, sondern viel eher ein „Hanswurst“ (Zitat!). Viel Schelte bekam sie dafür (und noch einige andere Sachen), weil ihre Kritiker anscheinend einen besonderen Grund brauchten, damit sie Eichmann als „böse“ verurteilen konnten. Die Wahrheit ist viel schmerzlicher: Eichmann konnte tun, was er getan hat, einfach weil wir Menschen dank Verdrängung und Ignoranz die Konsequenzen unseres eigenen Handelns ausblenden können. Eindrucksvoll demonstrierte das ja kollektiv die Bundesrepublik Deutschland bis 1968 (und auch die DDR, allerdings hatte die keine ehemaligen Nazis als Ministerpräsidenten).

 Auch wenn ich also das mulmige Gefühl habe, dass in Timur Vermes’ „Er ist wieder da“ die Person Hitler ansatzweise verharmlost wird, was äußert fragwürdig ist. Gleichzeitig bin ich meiner Mutter aber dafür dankbar, dass sie mir dieses Weihnachtsgeschenk gemacht hat, immerhin hätte ich sonst nicht darüber nachgedacht und könnte euch heute nicht diesen Aufreger präsentieren.