Man muss die Leser bei der Stange halten. Da ihr jedoch wenig davon habt, wenn ich mit entflammten Kettensägen jongliere oder die Mosel mit der bloßen Macht meiner Stimme trocken lege, muss ein Live-Bericht her. Mit Eindrücken und so. Dabei setze ich auf das Kurzzeitgedächtnis des geneigten Lesers, da sich der neue Ton unlängst erst mit der neuen Muse-Scheibe auseinandergesetzt hat. Jetzt kommt also ein Live-Eindruck zu Muse in München vom 12.11.2012.

Jetzt hat natürlich so jeder seine eigenen Vorlieben bei Live-Auftritten und genau deswegen gehen wir schnell eine kleine Checkliste durch. Muse. Laser-Show. Viel Rauch (Feuer darf ja nicht Indoor). Rundbühne (so halb). Es geht also um die knackigen Bombasten der modernen Konzertkunst. Kein Wunder bei den Wunschvorstellungen des Sängers Matthew Bellamy bezüglich einer gelungenen Bühnenshow. Passend bombastisch war die Musik und schnell wurde auch dem letzten klar, warum Muse schon lange nicht mehr so alternativ und experimentell klingen, wie es auf “Origin Of Symmetry” noch zu vernehmen war. Die Band – und allen voran Kollege Bellamy – liebt das große Spektakel. Für das Wohl eben solcher Spektakel wurde auf dem neuesten Album schließlich auch wild in der Musikwelt gewuchert. Hymnen für Stadien wie die Olympiahalle in München sind das Ergebnis. Und das Ergebnis war am gestrigen Abend mehr als nur zufriedenstellend.


Ein Vorgeschmack auf was euch da live so erwartet…

Die Lichtspielereien samt umgekehrter Bildschirm-Pyramide waren aber nur halb so beeindruckend, wie der Sound des Ganzen. Ich habe in meinem Leben bestimmt erst ein knappes Dutzend Bands auf Konzerten (FESTIVALS NICHT MITGEZÄHLT!) erlebt, aber neben den Klangbastlern von Dredg und einem klasse Stadion-Auftritt Coldplays war das gestrige Konzert das Akustikhoch meines Konzertgängerdaseins. Und dabei stand ich viel zu weit vorne (eher an der Seite), um den bestmöglichen Sound aufzusaugen. Trotzdem waren alle Lieder knackig und auch Kleinigkeiten gingen nie unter Crescendi und Fortissimo verloren.

Inhaltlich lässt sich die Setlist schnell wiedergeben: The 2nd Law + Best Of. Es gab keine außergewöhnlichen Perlen und allein, dass die Band wohl in Zukunft auf die Formel ENTWEDER “New Born” ODER “Stockholm Syndrome” setzen wird, ist ein winzig kleiner Wehrmutstropfen, da es sich um die meiner Meinung nach besten Tracks der Band handelt. Die Hits vergangener Alben zünden dabei natürlich besonders beim Publikum, aber auch die neuen Tracks haben durchgehend für schwingende Massen gesorgt.

Das ist eine kleine Überraschung, da auch Bassist Christopher Wolstenholme eines seiner Lieder zum Besten geben durfte. Auf dem Album sind “Save Me” und “Liquid State” beides lediglich solide Stücke, die ihre Qualitäten nur andeuten. Letzterer Track durfte Live jedoch seine volle Kraft entfalten. Für gute 3 Minuten erlebte man die junge Rockband Muse, welche einfach nur rocken will. Matt Bellamy an der Gitarre abspacken zu sehen und Chris als durchaus souveränen, wenn auch viel weniger theatralischen Frontmann zu erleben, war den ein oder anderen Euro wert.

Kurzum hat in den knapp 2-Stunden einfach alles gepasst. Hier und da ein saftiger Jam (z.B. im Anschluss zu “New Born”. Himmlisch!) und eine Darbietung der Songs, welche die oft samtene Ader der Albumversionen gegen ein erfreulich deftigeres Live-Gewand eingetauscht hat. Für viele Kritiker der Scheiben ist Muse Live weiterhin ein klarer Tipp. Hier rockt die Band noch richtig. Und das Beste: Auch die Band hat eingesehen, dass ihr Track “Unsustainable” OFFENSICHTLICH ein Opener ist!

Aber Lob und Ehre, wem eben diese gebührt. Und da darf die Vorband Everything, Everyhting nicht außen vorgelassen werden. Viel passender kann eine Vorband für Muse gar nicht sein (außer vielleicht Polarkreis 18, wenn sie nach dem mittelmäßigen “Frei” denn irgendwann wieder zurückkehren… besser!). Spätestens mit dem epileptischen “Cough, Cough” haben sich die Indie-Engländer viele Freunde gemacht und füllen in ihrer Heimat schon ganz allein die großen Säle.

Everything Everything – Cough Cough from phil tidy on Vimeo.

Auch München soll natürlich sein Lob erhalten. Schlangen könnten immer schneller vorangehen (besonders an Garderoben!), aber insgesamt ist die Olympiahalle ein schönes Venue für ein Konzert. Angenehme Akustik und eine gewisse Eigenheit der Halle (das Dach habt ihr ja wohl alle schon mal gesehen) gaben dem Abend noch seinen ganz eigenen Charme. Und die Zuschauer waren erfreulich friedlich. Trotz großartiger Stimmung waren die Einzigen Unfälle des Abends der Dehydrierung einzelner Menschen geschuldet. So lob’ ich mir das und kann das Gesamtpaket Muse LIVE 2012 ruhigen Gewissens weiterempfehlen.