Nach einer erklecklichen Anzahl an Aufregern ist es nicht schwer festzustellen, dass es einige immer wiederkehrende Themen und Zusammenhänge gibt, auf die ich zurückgreife. Zum Beispiel das miteinander von Kulturen, die Erweiterung von Horizonten im Sinne einer menschlichen Bildung oder auch der Einfluss einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsweise auf unser Leben. Manche Themen sind dabei ausgesprochene Minenfelder: Multikulturalität oder Gendergerechtigkeit, beispielsweise. Denn allzu schnell kann in diesem Bereich etwas falsch verstanden werden und dann findet man sich ganz schnell in einer Ecke wieder, in der man nicht stehen möchte. So ging es mir beispielsweise mit meinem Artikel zu Touristen, der von der Einen und dem Anderen ganz kritisch – in gewisser Weise auch zurecht – rezipiert wurde und ich ob der Vorwürfe, die da implizit auf mich eindrangen, erst mal schlucken musste. Die Krux bei der Sache ist einfach die, dass eine solche Kolumne wie der Aufreger der Woche eben genau mit Übertreibungen und Generalisierungen arbeiten muss, um a) überhaupt ein Aufreger und b) wenigstens ansatzweise lustig zu sein.

 Dagegen ist die Reaktion mancher Menschen auch wieder ein bisschen ärgerlich. Denn statt nachzufragen, wie bestimmte Dinge gemeint sind, ein bisschen Neugier zu zeigen oder auch nur mildes Interesse an einer Diskussion zu haben, werden zweideutige oder leicht missverständliche Aussagen einfach in ein bestimmtes Schema gepackt und erhalten dadurch den Stempel „Nicht diskussionswürdig“. Im Prinzip ist das erstmal schade, auch wenn ich sagen muss, dass meine Toleranz auch irgendwo ein Ende hat. Dieses Ende fängt mit dumm-dreisten Phrasen an, geht über Chauvinismus (sowohl kulturell als auch sexistisch) und endet bei fucking Nazis und ihren lächerlichen Parolen. Speziell letztere erhalten von mir auch gerne den Stempel der Diskussionsunwürdigkeit, einfach weil bei solchen Meinungen vielfach alles verloren ist, da sie meist nur der Absicherung der eigenen Lebenswelt dienen, die ohnehin vor der eigenen Türschwelle endet. Nun gut, ich wollte also klar stellen, dass immer mal wieder heikle Themen angesprochen wird und wer die Aussagen scheiße findet, der*die möge entweder konstruktive Kritik über und in seinem*ihren Beitrag Diskussionsbereitschaft signalisieren oder für immer schweigen. Dankeschön.


Anger is a gift, ein wahres Wort von der großen Band Rage against the Machine

In einem Anfall von fundamentalen Zukunftszweifeln bin ich in meiner Jugend darauf verfallen, meine sündige Seele nicht der Hölle anheim fallen zu lassen und Buße zu tun, indem ich in einem evangelischen Jugendtreff ehrenamtliche Kinder- und Jugendbespaßung durchgeführt habe. Sehr erfolgreich, wohlgemerkt. Also was der Spaß der Kinder anging. Da man mir dann aber während der Arbeit eröffnete, dass meine Seele so oder so in die Hölle kommen würde, da ich nicht getauft sei, erklärte ich den christlichen Glauben an sich für ziemlich bekloppt und in sich nicht stimmig (Erlösung für alle die daran glauben, aber nur wenn du getauft bist. Ja, was denn jetzt?) und favorisierte kurzzeitig den Buddhismus. Der ist eh viel cooler, schließlich hat der Kung-Fu-Mönche!
Die Hölle aber lässt einen nur schwer los, vor allem die Katholiken (aber die Paranoia der ewigen Verdammnis ist ohnehin ein zentraler Bestandteil des christlichen Glaubens), und deshalb feiern vor allem die irischen Katholiken sehr ausgelassen die Nacht vor Allerheiligen. Fügt man da noch eine ordentliche Legende hinzu, inklusive Teufel, glühenden Kohlen und einer Rübe, dann hat man Halloween. Dieses Fest ist an sich ein wenig seltsam, da es die Faszination von Horror, Okkultem, schwarzer Magie usw. mit einem heidnisch-christlichen Hintergrund verbindet. Diese Dominanz „höllischer Kräfte“ ist übrigens auch der Grund, warum sich die fundamental-christlichen Deppen der evangelikalen Rechten so weit wie möglich von Halloween distanzieren und sich statt dessen der natürlich total christlichen Verbrennung von Harry Potter-Büchern widmen. Oder wahlweise des Korans, ist ja alles Teufelszeug.

Über die irischen Einwanderer in den USA breitete sich Halloween dort aus und hat auch in seinem Ursprungsland Europa (okay, ist Irland Europa? Immerhin sind sie in der EU) wieder Fuß gefasst, allerdings in der us-amerikanischen Tradition.
Und das geht mir irgendwie an Halloween auf den Geist. Ich hab das Gefühl, dass dieses Fest aus genau zwei Gründen gefeiert wird:
Erstens wird uns per Fernsehen und Film der us-amerikanische Kulturimperialismus vermittelt, der uns supertolle und spannende Vereinigte Staaten vorgaukelt, obwohl jeder weiß, der dort ein bisschen Zeit verbracht hat, viele Aspekte an diesem Land zum Himmel stinken. Wir sehen uns dank des durch die Medien vermittelten Bildes nur mit unserem eigenen, langweiligen Oktoberendalltag konfrontiert, welcher aus dem blöden Reformationstag und Friedhofsbesuchen zu Allerheiligen besteht. Teilweise darf am Vorfeiertag noch nicht mal ordentlich gefeiert werde, dank des auch in Trier bzw. Rheinland-Pfalz praktizierten Tanzverbotes zu diesem Andachtstage. Da ist das schillernde Halloweenbild mit den fröhlichen Verkleidungen und den Süßigkeiten viel attraktiver. Nur leider nicht auf europäische Verhältnisse übertragbar. Das fängt bei der nur langsamen kulturellen Akzeptanz an und hört bei der für Europa typischen, organischen Durchmischung von Wohn- und Gewerbegebieten an, wohingegen die typischen Halloween-Szenen in den us-amerikanischen Suburbs spielen, die ja fast ausschließlich aus Wohngebieten bestehen und deshalb das Schnorren um Süßigkeiten ein Tick einfacher ist.

Eine angemessene Reaktion auf süßigkeitensammelnde Kinder am 31. Oktober. Via *bethography*

Zweitens bietet Halloween eine hervorragende Gelegenheit, die Konsumlücke zwischen dem Sommer und Weihnachten zu füllen. Man stelle sich vor, wie die Konsumgüterindustrie vor Freude in die Hände klatscht, dass sie mit dem Absatz von ihren Dingen nicht bis Anfang November (also, Weihnachten) warten braucht, sondern bereits das ganze zwei Wochen vorverlegen kann! Und Kostüme können dann nicht nur vor Februar (Karneval, nun da die Furcht davor schon in mir hockommt), sondern auch den ganzen Oktober verkauft werden!
Es ist also eindeutig, dass die Etablierung von Halloween als regelmäßiges Konsumfest von der Industrie forciert wird. Das Ergebnis ist eine gefährliche Mischung aus kapitalistischem Konsumkalkül und Kulturimperialismus, wobei das im Falle der USA oft genug ja ein- und dasselbe ist.
Was also ist an Halloween kritisch zu sehen? Es ist für mich weniger der Wandel von Festtagen und damit in gewisser Weise auch von Kultur, sondern eher die ungebändigte Kommerzialisierung desselben. Das macht Angst. Denn es weckt in mir die Furcht, dass es früher oder später keinen Aspekt unseres Lebens mehr gibt, der nicht komplett durchkapitalisiert ist. Vielleicht bin ich aber auch altmodisch und viel zu sozialromantisch und verschließe die Augen vor der Tatsache, dass dieser Zustand bereits eingetreten ist.

Solange ich mich der harten, dunklen und kalten Realität des globalisierten Kapitalismus aber verweigern kann, hopse ich fröhlich durch thematische Minenfelder und hoffe, die Eine oder den Anderen durch ein bisschen Provokation aus ihrem hässlichen Trott zu erwecken. Und wenn ich dabei schon draufgehe, dann mit einem Knall.