Für alle die sich noch nicht von der Musik-Flut letzter Woche erholt haben, gibt es frohe Kunde! Diese Woche werde ich nur zwei Alben mit euch näher unter die Lupe nehmen. Vorboten des guten Geschmacks und die Nachwirkungen von Massenhysterie.

Ja, heute gehen wir voll in den Hauptstrom und hoffen, dass wir dabei nicht kentern. Wenn zwei solch Karriere technischen Hochdruckgebiete aufeinanderprallen, dann kann man schon mal mit Erdbeben rechnen. Das macht zwar absolut keinen Sinn, klingt aber gut.

Der neue Ton muss diese Woche klären, ob Green Day mit ihrem neuen Album einfach nur zurück zu ihrem musikalischen Plaza Uno zurückgekehrt sind und Muse mit mit DubStep und viel Retro um Absolution für das durchwachsene „The Resistance“ bitten. Die Wortspiele erklär’ ich nicht, dafür aber was die beiden Schwergewichte da auf CD/Vinyl gepresst und als mp3 ins Netz gestellt haben.

 

Green Day – Ein neues „Dookie“ oder nur ein Haufen Elend?

Green Day haben ihr lang erwartetes „¡Uno!“ letzten Freitag offiziell released, nachdem das Album schon einige Tage per Stream im Netz herumgeisterte. Und die Pressestimmen überschlugen sich. Während der Rolling Stone schon mehrere Male das Cover mit Billie Joes Gesicht von diversen Flüssigkeiten befreien musste, gaben sich nicht wenige andere Stimmen eher verhalten.

Und sagen wir es gleich vorneweg. Green-Day-Alben nach der Hysterie um „American Idiot“ bzw. einer inzwischen ein Vierteljahrhundert andauernden Laufbahn zu schreiben macht so viel „Spaß“, wie über Religion und Politik zu diskutieren.

Dementsprechend nichtssagend sind Aussagen über die Single „Kill The DJ“. Green Day versuchen sich an tanzbarer Disco-Rock-Musik, wie wir sie von Franz Ferdinand kennen. Brav in der Mitte teilen sich die „Experten“ des Musikjournalismus und feiern die gelebte Freiheit der Band und ihrer Spielfreude, während andere das lahme, unpassende Werk als Ausfall verteufeln.


Die GEMA scheint das Lied zu mögen!

Frei nach dieser Vorlage sollt ihr auch bei meiner Meinung ganz stark nachdenken, ob meine Worte überhaupt an euch gerichtet sind oder sein können. Ich bin kein Green-Day-Fan. Für mich sind sie einfach bloß eine große Band mit viel Erfolg, die ein paar sehr gute Ohrwürmer kreiert hat. Als Kritiker sehe ich die Rockopern „American Idiot“ und „21st Century Breakdown“ und muss natürlich sagen: Das ist zu wenig. Ob die Band Spaß haben wollte oder nicht, muss bei einer Kritik einfach auch hinten angestellt werden müssen.

Außer das Mr. Armstrong weiterhin feucht fröhlich das Wort Fuck durch den Raum schmeißt wie kein anderer ist Green Day (für mein Ohr) handzahm geworden. „Nuclear Family“, „Loss Of Control“ und „Angle Blue“ gehen alle schön ins Ohr, aber für Rockgefühle und Power sorgen die nicht. Allein „Let Yourself Go“ bringt den gemeinen Rockerkopf noch zum Nicken. Ansonsten heißt es brave, wenig abwechslungsreiche Kost, die leicht ins Ohr geht, aber wahrscheinlich nicht allzu lang vorherrschend bleiben wird.

Die Rückkehr zu den Hits voriger Alben wird bald stattfinden, da dem Album schlichtweg die Posterboys (und -girls) fehlen. Warum sollte man „¡Uno!“ hören? Ich weiß es nicht. Es ist kein schlechtes Album, aber das Gefühl in der Magengrube nach dem Hören ist auch kein gutes, wenn ich an Green Days viel größeren Werke der Vergangenheit denke.

Deswegen erwarte ich auch gar keine Abwärtsspirale wie manch anderer mit den noch folgenden Alben „¡Dos!“ und „¡Tré!“, sondern einfach nur weitere Durchschnittskost mit ein paar netten Liedern und ein paar vergessenswürdigen Nummern. Vielleicht reicht es bei drei Alben mit knapp vierzig Songs ja für den EINEN Song, der diese Trilogie auch für die Zukunft wichtig macht. Auf „¡Uno!“ ist ein solcher Song noch nicht zu finden.


Nichts Neues, aber immer noch gut. Die Krux des neuen Albums

Muse – Wird die erwartete Überraschung wieder langweilig?

Auch „Black Holes & Revelations“ musste schon Prügel einstecken. Die Überraschung sei Programm geworden und Muse zu beschäftigt mit den Ideen, um noch große Songs zu machen. Recht sollten die Kritiker großteils behalten, da „The Resistance“ den qualitativen Tiefpunkt der Band darstellte. „Uprising“ und „Undisclosed Desires“ hat man noch im Kopf, aber der Großteil des Albums hat schlichtweg keine Nachhaltigkeit bewiesen. Das Album war dementsprechend ein kurzes Vergnügen, dass im dreiteiligen Ende des Albums allein Matt Bellamys musikalisches Können untermalte.

Auch Muse sind jetzt schon über eine Dekade unterwegs und ähnlich wie bei Green Day erwartet und will man doch gar keine Revolution mehr, sondern einfach nur gute Musik. Muse, das sind krachende Gitarren, eine himmlische Stimme und hypnotische Melodien. Dazu kommt seit geraumer Zeit eine offene Liebe zu Einflüssen der letzten 20 Jahren, was nicht selten zu Queen-Vergleichen führt.

Der Olympia-Song „Survival“ und die Single „Madness“ haben erste Eindrücke verschafft und diese waren und sind gemischt. „Survival“ zeigt zwar, dass die Band noch laut werden kann, aber in erster Linie kunstvoll sein will. Mir hat das wahnsinnig gut gefallen, aber viele Fans aus „Origin Of Symmetrie“-Zeiten werden enttäuscht sein.

„Madness“ hingegen ist die moderne Neuauflage von besagter Mainstream-Single „Undisclosed Desires“ und wird sich ebenfalls über einige Jahre gut halten. Allerdings fehlt die Originalität. Dass Muse solch einen Song herausbringt, war irgendwie fest eingeplant.


London nach Olympia… von wegen alles unter Kontrolle

Was bietet nun also das Album „The 2nd Law“? Zwei Tracks gesungen vom Bassisten, DubStep (der in „Madness“ und dem Album-Trailer bereits angekündigt wurde) und viele Liebesbekenntnisse an eine Zeit in der A-Ha, Queen und David Bowie groß waren.

Diese Retromania spiegelt sich glücklicherweise abwechslungsreich wider und reicht vom Godzilla-Opening „Supremacy“ (höre nur ich die Ähnlichkeit?) über die altbackene Slide-Gitarre im groovigen „Panic Station“ bis zum U2esken (das Wort sollte ich patentieren lassen) „Big Freeze“.

Der Peter Gabriel in mir freut sich und findet allein in diesen drei Liedern große Unterhaltung. Als Bonus gibt es dann noch die astreine Brit-Pop-Schnulze „Explorers“ aus feinstem Klangzuckerguss. Das ist ein Schlag ins Gesicht für jene, die nach heftigen Rockern, aber für Liebhaber abwechslungsreicher Musik ein Segen. So gehen die ersten 9 Lieder wie im Flug vorbei, bevor das Album seine Schwachstelle erfährt.

Die Lieder von Christopher Wolstenholme (Bass) sind musikalisch und eben auch stimmlich auf B-Seiten-Niveau. Das bedeutet bei Muse noch nichts allzu Schlechtes, doch so recht ins Gesamtbild wollen diese Songs nicht passen. Auch wenn „Save Me“ und „Liquide State“ als Therapie für Wolstenholme (hatte Alkoholprobleme) als sehr vernünftiges Zeichen seitens der Band gewertet werden dürfen, will die Musik nicht zünden.

Zum Abschluss noch programmatisches Problem. „The 2nd Law: Unsustainable“ hat im Vorfeld des Albums für Sorgenfalten gesorgt. DubStep und Muse? Nach „Follow Me“ wissen wir, dass das im richtigen Maße sehr gut funktionieren kann. Die klassische Overtüre in „Unsustainable“ ist ein Ohrenschmaus zusammen mit den eco-politischen Endzeit-Nachrichten, die in den DubStep-Teil münden. Nur für knapp vier Minuten weiß dieser Song nicht genug Tiefe mitzubringen. Anstattdessen hätte der Track erstens eine Minute kürzer sein sollen und zweitens das Album eröffnen sollen.

So stehen die beiden recht instrumentalen Stücke zum Abschluss des Albums allein da und geben nicht notwendig ein zusammenhängendes Bild ab. Als hübscher Bilderrahmen für ein Album auf dem wieder alles beim Alten mit vielen Neuheiten ist, wäre das genauso vorhersehbar wie passend gewesen. Muse sind mit diesem Album wieder auf dem aufsteigenden Ast, wirken ungezwungen und lassen eine niemals langweilige Zukunft erhoffen.


Nicht viel länger als hier hätte der Song sein sollen

Was sind eure Lieblingstracks? Ist vielleicht doch ein neuer Green-Day-Song von Bedeutung? Traut euch was und gebt euer Urteil ab, denn über Musik lässt sich herrlich streiten.

Ich bin einfach nur froh für den GD-Block, dass er nicht vom Neuwerk enttäuscht ist. Aus dem Fanlager kenne ich inzwischen genug Stimmen, die mit dem Album zufrieden sind.

Dass auch Muse nicht Kritik frei davonkommt, war im Vornherein klar. Let the Shitstorm begin!