Die Rolle von Unterwäsche hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark gewandelt. Das allseits beliebte T-Shirt beispielsweise galt noch bis in die 1960er-Jahre hinein als Unterwäsche und es galt deshalb als unschicklich dieses Kleidungsstück offen zu tragen. Heute gibt es ganze Subkulturen, wie die Metaller, die sich um das (Band-)T-Shirt gebildet haben. Früher hat man auch wesentlich mehr Aufwand darauf verwendet, seine Unterkleidung zu verstecken. Frauen trugen Unterröcke und es schrammte hart an einem Skandal vorbei, blitze dieser unter den anderen annäherungsweise elf Lagen Kleidung hervor. Nicht zuletzt galt es als fast sexueller Akt, wenn das Strumpfband einer Frau hervorlugte. Man merkt, Frauen hatten es auch damals schwer, nicht gleich als Huren oder als Provokateurinnen sexueller Gewalt dargestellt zu werden.

Bezeichnenderweise gab es auch einen Aufschrei, als dereinst 1919 die Berliner Illustrierte Zeitung den damaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert in Badehose auf ihr Titelblatt hob. Noch nie zuvor war ein Politiker in Badehose in einem deutschen Medium dargestellt worden! Bisher trugen sie alle nur immer diese etwas seltsam anmutenden Männerbadeanzüge.

Ebert ist der zweite von rechts. Falls es wen interessiert. Via Wikimedia Commons

Wir können also von Glück sagen, dass wir das heute alles anders sehen. Viel entspannter gehen wir mit Unterwäsche um, nur noch die wenigsten stören sich an öffentlicher Werbung für Unterwäsche, vor allem wenn wohlgeformte Frauen in ihnen stecken. Hier zeigt sich wieder der inhärente Sexismus unserer Gesellschaft, nämlich in der Objektivierung des weiblichen Körpers. Aber auch Männer werden objektiviert, ganz klar, wenn sie beispielsweise als Unterwäschemodel herhalten müssen. Oder sie in Pornos auch nicht mehr sind als ein Penis mit Beinen. Da aber Frauen mehr struktureller Gewalt ausgesetzt sind als Männer, haben letztere wesentlich weniger Grund, sich zu beschweren. Ausser bei David Beckham.

Der schwedische Modekonzern H&M hat eine Unterwäschekollektion vom Ehemann von Posh Spice herausgebracht. Über die lächerlich hohen Preise will ich mich hier nicht auslassen (eine Unterhose kostet 14,99 €, ein Langarmshirt knapp 25 €), ebensowenig über den Verdacht der Kinderarbeit. Auch das David Beckham meiner Meinung nach intellektuell gleich nach einer Tüte Milch (danach kommt Til Schweiger) rangiert, soll hier keine Rolle spielen. Nein. Es geht um seinen Penis.

Ich radle jeden Tag an einer großen Baustellenwerbung (was sonst, Berlin besteht ja auch nur aus Baustellen) vorbei, auf denen ebendiese Unterwäschekollektion auch von eben diesem Mann angepriesen wird. Mit eingezogenem Bauch, geölten Muskeln und lasziv-dümmlichen Blick guckt dann Herr Beckham genau auf die Gedächtniskirche (ausgerechnet!) und preist seine Unterwäsche an. Und was hängt da natürlich direkt auf Augenhöhe? Genau, David Beckhams Schwanz. Natürlich hat Herr von und zu Rückschinken da eine ordentliche Beule in seiner Hose und nicht so ein mickriges Schlabberschwänzchen wie 90% der restlichen, nicht-Unterwäschemodelbevölkerung.
Was soll einem da suggeriert werden? Wenn ich überteuerte, von Kindern gewebte Unterwäsche kaufe, wird mein kleiner großer Freund noch imposanter? Das mit Photoshop jeder einen dicken Prengel haben kann? Wenn ich David Beckhams Unterwäsche kaufe, dann bin ich wie er? Wer will das denn? Ich hab keinen Bock darauf, dass mir irgendein strunziger Ex(?)Fußballer seinen nur kaum verhüllten Penis ins Gesicht hält. Morgens will ich mich gut fühlen, fröhlich zur Arbeit fahren und keine Minderwertigkeitskomplexe haben wegen meiner Untenrumausstattung. Fickt euch, liebe Werbemenschen, ich kaufe meine überteuerte Wäsche weiterhin bei C&A und ärgere mich nach dem Trocknen, dass die Schlüpfer zu klein sind!

so wie hier, nur viel sexiererererer. Via Vasta

Überhaupt: Penisgrößen! Warum diese penetrante Obsession mit Penislängen, -größen, -durchmessern? Alle (biologischen) Männer haben Penisse, ob sie wollen oder nicht, und eigentlich können wir alle (sowohl als auch) froh sein, dass unterschiedliche Penisse existieren. Dass sie überhaupt da sind. Dass Menschen Sex haben können, dank Penissen (es geht aber auch ohne und so). Dass wir uns dank Penissen fortpflanzen können. Penisse sind ein Geschenk und wir sollten nicht daran rummäkeln, dass sie zu klein, zu groß, zu dick, dünn, lang, krumm, haarig und was weiß ich was sind. Ich sage „Ja!“ zu Penissen.

Achtung, Witz: Ein Penis zum anfassen! Knaller! Via Sea Turtle

Aber mit David Beckhams Penis ist es für mich ein bisschen wie Religion: Der Mann kann gerne sowas haben, aber er soll mich damit bitte nicht belästigen.

Übrigens weil es thematisch etwas passt:
Eine Ausgabe des Fluters, oder die „Neon wie sie sein sollte“, handelt von Sex. Gibt’s gratis!