Kolumnenschreiben ist ‘ne Bitch. Ich bin ja schon relativ stolz, dass ich es bisher immer geschafft habe, mein Zeug pünktlich abzuliefern, auch wenn es dabei schwankende Qualität aufwies, ich schäme mich auch. Aber diese und letzte Woche lag ich in den Geburtswehen meiner Abschlussarbeit und fand weder Kopf noch Zeit dafür diese für mich sehr spaßige und nebenbei karthartische Kolumne. In diesem Sinne bitte ich euch, liebste Leserschaft um ein wenig Nachsicht mit mir. Aber das Schöne an unserem kleinen Blog/Podcast-Projekt ist ja, dass wir miteinander übereinander kommunizieren können, darüber reden, was wir machen (und was nicht) und dies auch in einer offenen Atmosphäre voller Freundlichkeit und Harmonie zu tun vermögen. Manchmal reden wir auch über den Blog.

Wir könnten kotzen vor Harmonie. Via mihailov

Gerade dieser Aspekt des Miteinander-Redens, diese Fähigkeit relativ klar zu kommunizieren worum es einem selbst geht, das ist eine Fähigkeit, die heutzutage immer weniger weit verbreitet ist. Gut, vielleicht war es früher auch nicht viel besser und die Leute haben einfach mehr Fassaden aufrecht erhalten und sind zur Triebabfuhr und Katharsis in den Puff gegangen. Aber immerhin hatten sie Sex. Mir jedenfalls fällt in meinem Umfeld immer stärker auf, dass die Menschen zunehmend nicht mehr ordentlich (vernünftig) kommunizieren können. Ganz deutlich wird dies am Phänomen des Vaguebooking. Was das ist, findet ihr im übernächsten Abschnitt, ich langweile euch erstmal mit einer weiteren Einleitung zum Thema!

 Facebook ist unglaublich riesig, drölfzehnmillionen Menschen haben dort einen Account. Das Soziale Netzwerk veröffentlichte im Juli 2010 eine Meldung, dass mittlerweile pro Tag 100 Millionen Photos hochgeladen würden. Warum die Menschen das machen, ist auch mir ein Rätsel, aber gut. Leider gibt es keine Statistiken darüber, wieviele Statusmeldungen pro Tag von den drölfzehnmillionen Menschen verschickt werden, aber wohl mehr als 100 Millionen. Und die meisten Statusmeldungen sind entweder von mir gepostete, interessante Artikel über die bedenklichen Zustände unserer sozio-kulturellen gesellschaftlichen Verfassung, nervige Reposts von 9GAG oder inhaltslose Kackscheiße. Widmen wir uns der Kackscheiße.

Unter der inhaltslosen Kackscheiße verstehe ich heute mal nicht die sinnlosen Posts á la „Stehe in der Kasse bei Netto“ oder „Geiler Abend gestern, vielen Dank an alle“ oder „Abgegeben!“ sondern eben jenes bereits oben erwähnte Vaguebooking. Vaguebooking wird vom Urban Dictionary beschrieben als „An intentionally vague Facebook status update, that prompts friends to ask what’s going on, or is possibly a cry for help.“ Schlüsselwort ist hierbei das „intentionally“, also absichtlich. Gemeint ist das Verhalten, was viel zu viele Menschen bei Facebook an den Tag legen, indem sie Statusposts fabrizieren, die Aufmerksamkeit erregen sollen. Beispiele gibt es dafür zu tausenden, deswegen hoffe ich mal, ihr wisst, wie das ganze aussieht. Jedenfalls zeugt Vaguebooking einer Person für mich davon, dass diese Person das Konzept von Kommunikation nicht begriffen hat. Denn die Veröffentlichung eines solchen Posts zeigt doch, dass da ein Redebedürfnis da ist, aber die Person anscheinend nicht soweit gehen möchte, jemanden tatsächlich anzurufen. Nein, stattdessen sollen sich bitte die anderen um sie kümmern, sollen die vermeintlichen „Freunde“ diese fragliche Person anrufen. Es geht hier um Bestätigung des eigenen Egos, der Versicherung der eigenen Relevanz und Wichtigkeit für andere. Und das ist einfach dumme Scheiße, denn es gehört doch verdammt nochmal zu einer gewissen Reife dazu, die Arsch in der Hose zu haben und zu erkennen: a) es geht mit schlecht, b) ich will über meine Probleme reden und c) ich habe Freunde, mit denen ich darüber reden kann. Ein Aufmerksamkeitspost bei Facebook ist doch das Äquivalent dazu, in seine Lieblingskneipe zu gehen und sich ein Schild umzuhängen, auf dem steht: „Es geht mir schlecht und ich bin traurig, bitte nehmt mich in den Arm“, nur um auf die Frage, was denn mit einem los sei, zu antworten: „Eigentlich will ich nicht drüber reden“ Danke, du Arsch! Dann bettel doch nicht um Aufmerksamkeit!

Ignorieren! Nicht den Troll füttern! Umarmt diese Menschen, sagt ihnen, dass sie nichts für ihr verkorkstes Leben können. Und dass sie zu ihrer unterdrückten Homosexualität oder ihren verqueren Fetischen stehen dürfen. Dank einer Gesellschaft die ihre Moral aus der Vernunft und nicht aus den Dogmatismen einer Religion ableitet. Via 21t_cog

Die Antworten die man bekommt, sind meist genauso nutzlos zur Bewältigung der eigenen Problemstellung wie der vage Post selbst. Was will man denn von seinen Facebookfreunden erwarten, ausser geheucheltes Interesse? Und vor allem, wenn der/die verachtenswerte Poster*in auch noch bekannt ist für derartige Meldungen? Dann kommt es zu einer Empathie-Müdigkeit, wie sie in einem interessanten Artikel zum Thema Vaguebooking beschrieben wurde. Wir als Menschen können nun mal nicht allen Vaguebookerinnen und Vaguebookern dort draußen immer die gleiche Aufmerksamkeit schenken, dafür sind wir doch selbst zu sehr gefangen in den klebrigen Fäden der Aufmerksamkeitsökonomie. Im schlimmsten Fall werden dann die wirklichen Hilferufe, die Vaguebooking auch sein können, einfach übersehen.

Ganz ehrlich, mir gehen soziale Netzwerke, soziale Medien auf den Sack. Ich werde gerne für einen schlecht gelaunten, alten Mann gehalten, aber glaubt mir, ich treffe mich gerne mit meinen Freunden und rede mit ihnen über die Dinge die sie, mich und uns gemeinsam bewegen. Dafür brauche ich kein Facebook, kein Instant Messaging, kein Twitter, ich brauche nur ein Telefon. Nur, Facebook und Konsorten gaukeln uns Kommunikation(smöglichkeiten) vor, in dem sie uns diese vielen Kontaktoptionen ermöglichen, die letztlich aber doch nicht die „richtige“ Face-to-Face-Kommunikation ersetzen können. Wir sollten dem Social Media-Blödsinn also nicht in die Falle tappen und glauben, nur weil wir regelmäßig Beiträge von anderen liken, wären wir mit diesen Menschen befreundet. Freundschaft braucht harte Arbeit und nicht Ausrufezeichen, Stupser und Emoticons.

Nebenbei bemerkt, Vaguebooking existiert auch in dieser schrecklichen, schrecklichen Welt von Twitter, als Vaguetweeting. Aber bevor ich diesen Weg beschreite und mich eingehend mit Twitter beschäftige, muss ich erst alle Hoffnung verlieren. Den Twitter ist von dem ganzen Haufen Unrat, Müll, Egoismen und zerstörte Träume, welcher diesen Begriff Social Media bildet, wahrscheinlich das schlimmste, abgründigste, von allen Göttern dieses Universums verlassenste… Ding, welches jemals… aber nein, hören wir auf davon. Hoffen wir lieber, dass irgendjemand bald den ContextBot entwickelt.

Belassen wir es bei einer kleinen Abschlussanekdote: Ich war nach durchwachten Nächten endlich mit meiner Arbeit fertig. Und was war das erste, was ich nach der Abgabe gemacht habe? Ich bin einkaufen gegangen. Weil ich noch Dinge brauchte. Ich habe den Leuten, dir mir viel bedeuten, Bescheid gesagt und die Leute mit denen ich sonst viel zu tun habe, diese Menschen werden das von mir schon irgendwie mitbekommen. Ich habe, und das sage ich in der heutigen Zeit nicht ohne einen gewissen Anflug von Stolz, darauf verzichtet, bei Facebook einen Status wie „Abgegeben!“ zu veröffentlichen und somit meinen nun um mehrere Zoll gewachsenen, metaphorischen Penis allen anderen ins Gesicht zu hauen. Nein. Ich habe mich einfach mit Freunden betrunken. Und es war herrlich!

PS.: Eine von diesen Freunden hat mir einen großartigen Artikel geschickt, der den geneigten Leser*innen dieser Kolumne gefallen dürfte. Bitte sehr.