Lasst uns über Werbung sprechen. Sie ist überall. Im Kino, im Fernsehen, auf dem Laptop, in den Straßen und in unseren Zeitungen. Und trotzdem, wenn man sich anmaß Kritik zu üben, vor allem an den unzähligen Beispielen für sexistische oder rassistische Werbung, hört man oft nur das hier:
„Das ist doch nur Werbung. Das hat doch keinen Einfluss auf uns.“
Voll darauf eingestellt mich tief in die Materie über Tieruntersuchungen und Rückschlüsse auf den Menschen einzuarbeiten (da ich das ja das letztes Mal angesprochen hatte), wurde ich letzte Woche auf dieses Bild von Triumph und SAP aufmerksam. Das liegt nämlich an der Uni Trier zum Mitnehmen aus (und wenn es an einer anderen Universität noch nicht ist, dann kann man laut der Internetseite von Triumph den Zuständigen einen E-Mail schreiben und somit dafür sorgen, dass es das gibt). Also ließ ich die Schimpansen Schimpansen sein, sortierte meine Wut und nahm den eingangs wiedergegebenen, bis zum Erbrechen gehörten Satz in den Blick. Denn was wir auf diesem Plakat sehen, ist sexistisch. Abermals sehen wir eine Frau ohne Kopf. Der Blick wird ausschließlich auf den Körper gerichtet, der wenig bekleidet ist. Wir sehen kein Subjekt – Wir sehen ein Objekt in Unterwäsche. Manch eine*r wird vielleicht aufschreien wollen und sagen: ‚Och nö, nicht schon wieder die radikale Feministin, das ist doch Unterwäschewerbung, da muss man doch die Unterwäsche zeigen!‘ Nix da! Um das klar zu machen, es geht nicht um BHs und Höschen, sondern um Positionen in der Softwarebranche, z.B. Berufe wie SAP ABAP Developer oder Intern for Project Management Office (PMO) Administration (und auch bei Unterwäsche kann man sich darüber streiten, ob die von Triumph auch in anderen Beispielen gewählte Darstellung die richtige ist). Nun könnte angemerkt werden, dass in der Werbekampagne die Partnerschaft der beiden Unternehmen deutlich gemacht werden sollen, aber ganz ehrlich, haben sie nicht mehr zu sagen? Ist es nicht besser mit Inhalten, den eigentlichen Berufen oder den Firmen selbst zu werben, anstatt wieder eine nackte Frau aufs Bild zu packen und sie komplett auf ihren Körper zu reduzieren?! Sieht man genauer hin, wird auch deutlich, dass die Reduzierung nicht nur auf ihren Körper, sondern hauptsächlich auf ihre Oberweite erfolgt.
Aber kommen wir zu der gängigen Reaktion auf Kritiken wie meine zurück. Zunächst, wer glaubt, dass Werbung keinen Einfluss auf uns hat, ist naiv und/oder blind, denn wie ich schon angedeutet habe, Werbung ist überall. Sie verkauft Dinge über Emotionen und über „Wünsche“, über das Versprechen glücklich zu werden mit diesem oder jenem Produkt. Aber darum geht und nur darum, um das Verkaufen! Dafür erzeugen die Werbefirmen diser Erde Bilder und Stereotype. All das sehen wir tagtäglich. In Bezug auf Frauen ist das besonders krass, denn sie werden viel häufiger als Männer außerhalb eines Kontextes (z.B. Arbeit) gezeigt, sexualisiert und objektiviert. Dies erzeugt nicht nur ein Klima, in dem Frauen beständig über ihr Aussehen definiert werden, sondern auch eine Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen zu Realität gehört. In dem sie zum Objekt werden, werden sie dehumanisiert. Natürlich kann nicht abgesprochen werden, dass es mittlerweile auch unzählige Beispiele für sexualisierte Männer in Werbekampagnen gibt, allerdings muss hier differenziert werden. Frauen erfahren eine passive Darstellung. Es lassen sich Ästhetisierung von Gewalt gegen Frauen finden oder Bilder, die klar signalisieren, dass die Frau immer ‚bereit ist‘ oder ‚bereit zu sein hat‘. Männer hingegen werden noch immer eher in dominanten und Stärke demonstrierenden Posen gezeigt. Natürlich muss der Fakt, dass Männer weiblich konnotierte Positionen verwehrt werden, thematisiert und kritisiert werden, aber nichtsdestotrotz gesteht man ihnen Stärke und Kontrolle zu, was Frauen in vergleichbaren Bildern verwehrt wird. Und ja, diese Zusammenhänge haben sich nicht irgendwelche bösen Feminist*innen ausgedacht, Studien belegen, das sexistische Werbung eine frauenfeindliche Gesellschaft befördern. Werbung reproduziert diese Gesellschaft und hat Anteil an vielen genderbasierten Problemen.
Grade im Zusammenhang mit Bildern, wie dem von Dolce und Gabbana, das ich oben verlinkt habe, kommen gern so Einwürfe wie: ‚Aber das ist doch nicht ernst gemeint‘ oder ‚Hier wird doch mit dem Klischee ironisch gebrochen‘. Ähm, nein?! Denn Ironie ist ja nur dann gut, wenn sie verstanden wird und leider in der Werbung zu oft eine Ausrede um einfach weiter sexistische Bilder zu verwenden. Aber zur Ironie und Retrosexismus in der Werbung hat Anita Sarkeesian von Feminist Frequency alles gesagt was gesagt werden muss.
In diesem Sinne. Ein Schweigeeinhorn für die Leute in der Werbebranche, die immer noch nicht gerafft haben, dass die Zeiten der Mad Men endgültig vorbei sind und nicht verstehen, dass sexistische (und genauso rassistische und homophobe) Werbung einfach nicht ok ist, nirgendwo und nirgendwann, auch nicht wenn es doch gar nicht ernst gemeint ist.
16/07/2012 at 00:42
>> […] Studien belegen, das sexistische Werbung eine frauenfeindliche Gesellschaft befördern. Werbung reproduziert diese Gesellschaft und hat Anteil an vielen genderbasierten Problemen. […]
Es ist richtig, dass Werbung eine sexistische Gesellschaft REproduziert. Natürlich kann man dann Werbung bemängeln und im Optimalfall ändern, macht aber wenig Sinn, wenn es die Gesellschaft an sich nicht verändert. Stoppt “nur” einen Reproduktionskanal.
Und, no offense aber es würde der Seriösität des Posts gut tun, wenn Du dich nicht auf die doch sehr kontroverse und selbstvermarktende Frau Sarkeesian berufen würdest. Ich hinterlasse Dir dafür auch gerne ein Video :P Empfehle auch Teil 2 zu gucken, ist nämlich tatsächlich nicht nur Anita-bashing.
16/07/2012 at 00:56
Eine Frage, die ich mir grundsätzlich bei Kritik an angeblich sexistischer Werbung stelle, ist jene, wie in diesem Kontext die Frau, die abgelichtet wird, eingeschätzt wird. Die Abbildung, also das Bild, wird ja im Endeffekt durch das Vorhandensein des Motivs ermöglicht. Ich denke schon, dass man hier von einer freien Entscheidung ausgehen kann. Geschaffen wird das Bild also nicht nur von jenen die es machen, sondern auch von den Models selbst.
16/07/2012 at 09:50
Natürlich ist das keine Schwarz-Weiß-Situation. Models genauso wie Fotograph*innen und Produzent*innen müssen reflektieren, was da reproduziert wird. Die Situation ist sehr komplex, denn da Werbekampagnen dieser Art in vielen Bereichen dominieren, ist es sicherlich schwer sich von diesen Trends (genauso wie dem Schlankheitswahn) zu distanzieren und trotzdem erfolgreich in diesem Job zu sein (z.B. wird nicht selten mit Photoshop retuschiert, auch wenn die betreffende Person nicht zugestimmt hat (Beispiele dazu bei Killing Us Softly 4). Diese Atmosphäre wird von allen Ebenen befördern, nur wem gebührt die Schuld? Denen die es sich ausdenken, denen die mitmachen, denen die es konsumieren? Meiner Meinung nach allen und wenn man sich anschaut, welche agressiven Abwehrreaktionen auftreten, wenn Kritik wie die meine geäußert wird, wird auch deutlich welche Probleme hier noch zu lösen sind. Nur weil jemand weiblich ist (oder sich als weiblich definiert) und in dieser Branche tätig ist, ist diese Person nicht automatisch ein Opfer und nicht jeden Mann ist sofort ein Täter. Männer wie Frauen reproduzieren Sexismus (auch das wird in dem geposteten Video angesprochen). Zu dem Thema ist der Artikel ziemlich gut: http://diestandard.at/1333528808950/Was-ist-Sexismus-Ueberall-Sexismus-doch-nirgends-SexistInnen
16/07/2012 at 21:56
@ Till:
1. Da hast du Recht, Werbung macht nur einen Teil unserer Gesellschaft aus, aber bekanntlich ändern man die Gesellschaft nur dann, wenn man die vielen Teilaspekte, die diese formen, verändert. Daher ist Medien- und Werbungskritik so existenzielle, weil Medien heutzutage einen so großen Einfluss haben.
2. Da muss ich dir widersprechen! Man mag vielleicht hier und da nicht mit der Meinung von Anita Sarkeesian (A. S.) übereinstimmen, aber unseriös ist sie nicht. Das Video was du gepostet hast ist außerdem sehr sehr (!) kritisch zu sehen, denn wie durch die Hinweise im ersten und im zweiten Teil deutlich wird ist es im Zuge der extremen sexistischen und frauenfeindlichen Gegenkampagne gegen ihr Kickstarterprojekt entstanden. Auch wenn sich dein Link einen sachlichen Anstrich geben will, so betreibt es doch ehr Wortverdrehung, ist unprofessionell und versucht keineswegs einen Diskurs anzuregen, sondern vielmehr unter dem Deckmantel der Sachlichkeit, die geäußerte Kritik von A. S. ins Lächerliche zu ziehen. Das wird deutlich an dem sehr merkwürdigen Verweis auf einen vorhanden oder nicht vorhanden Ehering (der angeblich etwas über die Wahrscheinlichkeit aussagen soll, ob sie Kinder hat) oder bei den unzähligen Beispielen, wo er A. S. außerhalb des Kontextes zitiert, z.B. wenn er aus ihrer Kritik an pornographischen Darstellungen von Frauen eine Anti-Sex-Äußerung machen will. Auch die Kritik an ihrer Masterarbeit ist dünn, wenn man weiß wie Wissenschaft funktioniert, nämlich über das Lesen, Verarbeiten und Analysieren von z.B. Forschungsliteratur und daraus gewonnenen neuen Überlegungen und ja dafür man verwendet – oh Wunder – Zitationen (btw. In Amerika gibt es generell einen Trend dazu mehr zu zitieren, als es beispielsweise in Deutschland üblich ist), der oder die sieht schnell, was das eigentliche Problem des Autors ist. Diese Beispiele lassen sich fortsetzten, wenn es um ihre Sprache geht, um ihren populärwissenschaftlichen Ansatz oder über ihre angebliche ‚Selbstinszenierung‘. Nur weil sie im Videoformat Kritik übt und dabei selber zu sehen ist, ist sie selbstverliebt?! Sich präsentieren zu wollen (wie Schauspieler*innen, Nachrichtensprecher*innen, Moderator*innen usw.) gehört wohl dazu, aber deswegen ihre Inhalte zu bashen (und ja was in dem Video betrieben wird ist Bashing, auch wenn es nicht mit Schimpfworten arbeitet) ist ziemlich undifferenziert. Sachliche Kritik zu üben ist das Eine, Inhalte durch den Dreck zu ziehen, weil es einem nicht passt das Andere. Vor allem im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Hatekampagne bekommt dieses Video eine ganz andere Dimension und man sollte wirklich sehr gut darüber nachdenken, ob man dem Raum geben will.
Übrigens einen guten Artikel zu der Hatekampagne gibt es hier (http://www.rockpapershotgun.com/2012/06/13/tropes-vs-women-in-video-games-vs-the-internet/) und eine gute Zusammenfassung über Beiträge dazu findest du hier (http://www.feministfrequency.com/2012/06/kickstarter-project-funded-with-6967-backers/) unter Media Round Up und das folgende Video kann ich auch nur wärmstens empfehlen!
Ill Doctrine: All These Sexist Gamer Dudes Are Some Shook Ones from ANIMALNewYork.com on Vimeo.
23/07/2012 at 11:58
Anne: Die Existenz von sexistischer Werbung damit zu rechtfertigen, dass es ja schliesslich weibliche Models gäbe, die sich so ablichten lassen würden, verkennt gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse. Wird die Werbung weniger sexistisch, weil Frauen* sich so ablichten lassen?
Du blendest die gesellschaftliche Ebene in deinem Kommentar völlig aus. Nur: Warum?