Jede Woche passieren Dinge, über die man sich aufregen kann. Und jede Woche passieren Dinge, über die man sich aufregen muss.

Als passionierter Aufreger übernehme ich gerne diesen Part für euch! Katharsis! Ich rege mich auf, damit ihr in Ruhe schlafen könnt. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Und viel Wut im Bauch.

Sitcoms

„Och nöööö!“ denkt sich der/die geneigte Leser*in, „Sitcoms? Ernsthaft? Was kann dieser traurige Mensch denn nur gegen Sitcoms haben?“ Naja, muss ich darauf antworten, ich habe nicht direkt etwas gegen Sitcoms. Wie bei vielen Sachen, über die ich mich aufrege (z.B. Bubble Tea), habe ich nichts gegen das Produkt an sich – okay, meistens irgendwie schon, aber das ist was anderes – sondern eher dagegen, wie die Menschen es benutzen. Man lasse mich bitte kurz ausholen…

 

Bei den Aufnahmen zu unserem ersten Kladderadatsch sind wir wie immer etwas abgeschwoffen (…) und redeten kurz (so ca. 15 Minuten) über Serien und Anne hat dabei ihre Abneigung gegen How I Met Your Mother (HIMYM, klingt wie Hymen… Absicht?) kundgetan. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das noch zu hören ist, oder ob das rausgeschnitten wurde. Wie dem auch sei, seitdem grüble ich ein wenig darüber nach, warum alle Menschen Sitcoms so toll und lustig finden und ich nicht. Wobei, letzteres stimmt nicht unbedingt, ich mag Sitcoms, ich mochte zum Beispiel Scrubs, habe sogar die ersten fünf Staffeln bei mir im Regal stehen. Und ich mag IT Crowd, mochte Stromberg, mag Black Books. Aber Serien wie HIMYM, King of Queens, Two and a Half Men und ja, auch Big Bang Theory (ich höre schon das „Och nööööö…“ wie bei der Halbfinalniederlage Deutschlands bei der EM 2012) sorgen dafür, dass ich mich etwas unbequem fühle. Schuld daran ist eine bestimmte Person. Die hat mir vor Jahren nämlich mal gesagt, dass die Beziehung zwischen ihr und mir so ein bisschen genauso sei wie die von JD und Elliot in Scrubs. Dass wir beide uns also eigentlich ganz toll fänden, wir aber irgendwie besser gute Freunde seien würden. Oder so ähnlich. Ich war damals nicht ganz bei Sinnen und habe sie leider nicht gefragt, wie genau sie das jetzt meint.

italienische clowns

via luvi

Nun gut. Seitdem fällt mir jedenfalls immer wieder auf, wie groß die Parallelen zum Teil sind, welche der/die durchschnittliche Sitcomzuschauer*in zwischen seinem/ihren eigenen Leben und den Figuren einer durchschnittlichen Sitcom zieht. Wer würde sich beispielsweise nicht gerne wünschen, dass man so gute Freunde hätte, inklusive Stammkneipe und lustig/verschrobenen Dauerjunggesellen, wie die Crew in HIMYM, oder wer wäre nicht gern mit den Über-Nerds aus Big Bang Theory befreundet und würde zusammen mit Sheldon „Bazinga!“ rufen? Wie oft habe ich gehört, dass Charlie Sheen sich bei Two and a half Men ja eigentlich nur selber spielt und alle fanden es irgendwie lustig. Und es gibt drei (in Zahlen: 3) (!) Bücher, die der natürlich nur latent frauenverachtende Barney Stinson (HIMYM, langsam kann ich’s…) verfasst hat, um seinen ebenfalls natürlich nur latent frauenverachtenden „Bro Code“ in die Welt zu setzen und die ohnehin schon mit den „Regeln des Spiels“ verpesteten Hirne von Männern und viel zu vielen Frauen dieser Welt noch weiter in die sexuelle Isolation zu treiben.

 

Ich finde es nicht lustig, wenn erwachsene Menschen ihr Leben mit einem fiktiven Stoff vergleichen und sich in eine Welt wünschen, mit Personen und Zusammenhängen, DIE ES NICHT GIBT UND NIE GEBEN WIRD. Das Problem gerade mit Sitcoms, vor allem us-amerikanischen, ist meiner Meinung nach nämlich, dass sie im Grunde zu real sind und damit zu viel Identifikationsmöglichkeiten bieten, um dem Publikum den gewünschte Eskapismus noch leichter zu gestalten. Scrubs, als Exponent der sogenannten „Dramedy“, bietet ein gutes Beispiel: Die Phantasiesequenzen, ein Markenzeichen der Serie, sind immer klar von der eigentlichen, realen Handlung abgegrenzt. Und wenn mal etwas phantastisches (also eindeutig fiktionales) in der realen Handlung passiert, sind dies meist Musicalabschnitte oder ähnliches, also auch direkt in einem unwirklichen Setting platziert. Bei HIMYM wird kaum über die Stränge geschlagen und alles spielt sich ein einem möglichst realen Rahmen ab. Und Charlie Sheen spielte sich ja eh selbst und knüpft damit direkt an seine eigene Realität an, um die ihn viele bestimmt ein kleines bisschen beneiden.

 

Natürlich, Humor entsteht zum größten Teil aus Überraschung und der Konfrontation aus Ordnung und Chaos. Und dies funktioniert am besten, wenn Menschen aus der Realtität die Regeln brechen, die wir mit eben dieser Realität verknüpfen. Dieses Prinzip steckt zum Beispiel hinter fast allen Witzen mit Sheldon aus Big Bang Theory. Das ist ja auch soweit in Ordnung, nur können diese Regeln nur im jeweiligen Serienuniversum gebrochen werden, nie in der Realität. Hatte jemand da draußen mal einen Fast-Asperger-Menschen wie Sheldon zum Freund? Oder einen Player wie Barney? Oder einen ständig angetrunkenen und misogynen großen Bruder wie Charlie? Kennt jemand jemanden, der bei UPS arbeitet und sich ein Haus mit seiner Frau und ihrem Vater leisten kann? Wer von euch verbringt die meiste Zeit in irgendwelchen Cafés, ohne etwas zu trinken oder betrunken zu werden?

Niemand. Denn das wäre ja irgendwie zu schön um wahr zu sein. Stattdessen sind diese geschilderten Personen entweder tierisch anstrengend, totale Kotzbrocken oder haben einen Arsch voller Schulden, weswegen ihnen bei der nächsten Bankenpleite das Haus unterm adipösen Hintern weggepfändet wird.

 

Stattdessen plädiere ich für mehr Blödsinn! Genau das schaffen nämlich Black Books und, ganz besonders, IT Crowd. In diesen Serien wird regelmäßig so überzogen die Realität verbogen, dass man laut lachend vor dem Bildschirm sitzt. Hier kommt der Humor vor dem Massenanspruch. Und das macht das ganze zum einen ehrlicher, um anderen auch lustiger als so manches Produkt aus der Kulturvernichtungsmaschine USA. Humor entsteht bei den oben genannten Serien aus dem Absurden, Unglaublichen heraus, aus der Kollision von Vernunft und sozialsuizidaler Blödheit, ohne darüber nachzudenken, ob das realistisch ist oder nicht. Das Publikum soll durch die Interaktion der Charaktere miteinander gefesselt werden, und nicht durch die Glaubwürdigkeit der Charaktere selbst. Deswegen quälen sich Black Books und IT Crowd auch nicht über 24 Folgen pro Jahr so lange es eben geht, sondern hören nach 10 Folgen (mal mehr, mal weniger) auf, erzählen eine Geschichte (wenn überhaupt) ordentlich zu Ende und geben einem das Gefühl, etwas wirklich Gutes gesehen zu haben.

 

„Och nöööö“, denkt sich der/die Leser*n vielleicht, „jetzt macht er Werbung“. Vielleicht, sage ich da. Aber vielleicht wollte ich auch mal mit etwas Positivem abschließen. Und Anne dazu anregen, sich, wenn sie Zeit hat, doch mal eine gute Sitcom anzuschauen.