„Fick, ja!“, eine neue Woche voller Releases. Nachdem der letzte Freitag wie Mamas schwere Küche sacken konnte, kann man jetzt mit empirischer Sicherheit lang erwartete, sowie lang gefürchtete Alben endlich der Zensur unterziehen. Von abgefucktem Jazz und pompösen Melodic Metal gibt es auch diese Woche wieder sehr viele neue Töne, die den Weg in eure jungfräulichen Gehörgänge suchen. Auch diese Woche ist wieder Ohrverhütung angesagt. Aufklärung der hoffentlich nicht ganz trockenen Art!

 

Der gute Ton

Der König ist tot, es lebe der König! Letzte Woche gab es noch wilden Punk-Rock als Ohrenschmaus unter den Filetstücken guter Musik. In dieser Ausgabe konnte es keine zwei Meinungen darüber geben, welcher Interpret die Krone mitnimmt. Linkin Park ist zurück und wie immer unglaublich. Unglaublich bescheiden und berechenbar wie schon mit ihren letzten Outputs.

Genug des Dummgelabers und falschen Schocks. Die ganz großen Meisterwerke blieben letzten Freitag zwar aus, aber dafür kamen gleich aus mehreren Genres angenehme Töne.

Aus der viel gescholtenen Ecke des Symphonic Metals grüßt Luca Turilli’s Rhapsody von Rhapsody Of Fire. Voller bombastischer Orchester-Arrangements fegt hier ein Album über den Hügel, der auch vielen Nicht-Metalern neue Horizonte eröffnen könnte. Für Fans/Freunde/Fetischisten orchestraler Musik mit popkultureller Würze ist dieses Album mindestens ein kleines Reinhören Pflicht.

Nicht weniger fordernd, aber genauso ergiebig dürfte The Invisible mit „Rispah“ einzuschätzen sein. So forsch und nach vorne preschend Bloc Party zu ihrer Zeit waren, ist The Invisible auch mit ihrem zweiten Album wieder ein zukunftsträchtiges Album gelungen. Toll instrumentalisierte und programmierte(!) Songs haben es zum Großteil verdient mit dem (leider viel zu häufig genutzten) Prädikat „intelligent“ betitelt zu werden.

Die größte Überraschung dürfte der dritte und letzte Ausreißer nach oben sein. The dB’s melden sich nämlich etwas unerwartet nach 25 Jahren Pause wieder zurück und machen das, was heutzutage irgendwie niemand mehr tut. Rockmusik. Ja, man glaubt es kaum! So ganz altmodisch ohne Spielereien, Effekte und Tralala. R.E.M. lässt grüßen was die technischen Hilfsmittel angeht, die sich die reifen Herren erlauben.

 

Die Ton-Landschaft

Die Ton-Landschaft sieht ansonsten zum Glück nicht allzu trostlos aus. Es gibt süßen Geigen-Kitsch-Pop der süß-charmanten Sorte von Sara Watkins. Kein Meilenstein, aber dafür ein authentisch liebliches Weg, das runter geht wie Öl.

Viel weniger leicht macht es einem Christian Scott mit Jazz, der selbst Experten in Erklärungsnot bringt. Ist es Free, Fusion oder was ist es eigentlich, was da meine Ohren auf den Küchentisch wirft und vollsabbert. Unglückliche Metapher, doch gerade ungeübte Hörorgane werden ihre Besitzer während dieses zweistündigen Doppel-Albums fragen, mit welcher Rechtfertigung man ihnen diese (kunstvoll avantgardistische) Gewalt antut.

Viel leichter zugänglich und auf der ewig coolen Welle des Rockabilly reitend geben die King Cannons den Spaßmacher der Woche und feiern sich, die Zuhörer und natürlich ihr von ihnen geliebtes Genre. Im Gegensatz zur deutschen Variante Dick Brave haben die King Cannons eigene Lieder in Petto, die aus dem Wohnzimmer die nächste angesagte Bikerkneipe machen wird. Was die Rockbar in der Brückenstraße da wohl gegen tun wird?

 

Ton-Kompost

Wo solch vielfältige Musik aus Regenwaldholz geschnitzt wird, fallen komischerweise auch immer Plastikspäne zu Boden. Noch viel merkwürdiger sind die hohen Verkaufsraten dieser Abfälle. Marquess und Linkin Park prügeln sich geradezu darum, wer einfallslosere Musik für die Zielgruppe 14 – 49 erstellen kann.

Um den Ruf der AAA-Bands zu retten vergeigen auch Reverend & The Makers ihr Album „@reverend_makers“ mit einer unsäglichen Mischung aus DubStep, Drum’n’Bass, Elektro und Eurodance. Ein Bombenteppich an überproduzierter und zielloser Musik, die hofft irgendwie Anklang zu finden. Wäre es nicht illegal würde man fast lieber dazu raten die Euroscheine, die man in solche Musik investieren will, lieber als Streichholzersatz nutzt.

Ton-Salat

Das Sommerloch ist auch weiterhin nicht auszumachen. Große Bands geben sich mit kleingeistiger Kunst genauso die Ehre wie Trendsetter und alte Haudegen. Alles in allem ist auch der 22. Juni kein neuer Nationalfeiertag der Musikbranche, aber zumindest müssen eure Ohren keinen Rost ansetzen.

Nicht vergessen: neue Töne gibt es jede Woche und meistens sind sogar ein paar gute dabei.