Mehr Spieler – das sind regelmäßige Podcasts und Blogs über Videospiele in allen Facetten. Abwechselnd zum hören und lesen besprechen Max und Johannes ihr Lieblingshobby mit euch und kümmern sich dabei um aktuelle Themen oder stochern in der Glut längst verloschener brennnend interessanter Inhalte. Wir wollen euch zum Nachdenken über Videospiele anregen und die Industrie kritisch hinterfragen. Aber wie immer nicht ohne Augenzwinkern und eine Prise Verzweiflung! Trotzdem: Mehr Spieler und vor allem Mehr Spielerinnen braucht das Land!

 

Warum Assassin’s Creed Brotherhood ein gutes Spiel, aber kein guter Nachfolger ist

In unserem Podcast von letzter Woche hatte ich immer wieder Assassin’s Creed: Brotherhood (fürderhin AC: B) als Beispiel für ein eher weniger gelungenes Sequel herangezogen. Ich finde, ich sollte das vielleicht ein bisschen erklären. Achja: in Ermangelung von gemeinfreiem Material zum Spiel gibt’s halt Bilder von Katzen. Sind sowieso die coolsten! Katzen, jetzt.

Zunächst: Assassin’s Creed II (fürderhin AC II) und die beiden Nachfolger sind dem Vorgänger fraglos überlegen. Die oft kritisierte mangelnde Abwechslung des ersten Teils wird mit dem abwechslungsreichen Missionsdesign verbessert und das „Königreich“ wurde durch ein umfangreicheres Umland der Städte ersetzt und nicht zuletzt liegt einem der Hauptcharakter der Nachfolger, Ezio Auditore da Firenze, wesentlich mehr am Herzen als Altaïr, der aber immer noch eine coole Sau ist. Nicht zuletzt hatte Teil zwei immerhin drei große und zwei kleine Städte (was dem Marketing natürlich völlig egal war, weshalb die mal locker 5 Städte daraus gemacht haben), was der Abwechslung zusätzlich gut tat. Aber gerade diese Abwechslung hat mir bei Brotherhood gefehlt.

Natürlich hat man da die große Stadt Rom, in der es viele Missionen zu erledigen gibt. Man hat auch die speziellen Nebenmissionen mit Leonardos Kriegsmaschinen oder die bewegenden Momente mit Ezios großer tragischen Liebe Cristina. Aber dies sind leider auf die einzigen Highlights. Denn der Rest von Ezios Abenteuern beschränkt sich letztlich auf das immergleiche, ermüdende Schema: Reise zur Mission, Anschleichen, Meucheln, Schwertkampf, Flucht. Ich möchte gerne die einzelnen Etappen des Schemas erläutern.

  1. Die Reise zur Mission:

Die findet meisten zu Fuß über die Dächer Roms, oder auf dem Pferderücken eines jederzeit herbeirufbaren Gauls (oder eben einer Mähre) statt. Per Pferd zur Mission zu reisen ist relativ unspektakulär und nur halb so spaßig, wie die Parcours-Elemente des Spiels zu nutzen und von Dach zu Dach zu hüpfen. Nur, so recht flüssig springt Ezio nicht, finde ich jedenfalls. Immer wieder falle ich von Dächern runter oder klettere umständlich an Fassaden hoch, weil entweder die Kamera, die Steuerung oder das Leveldesign versagt hat. Dass ich vielleicht auch zu blöd bin, um meine Pixelpenisverlängerung* ordentlich zu steuern, steht natürlich völlig ausser Frage. Im Ernst, im Vergleich beispielsweise zum nicht grandiosen aber immerhin ganz tollen Mirror’s Edge erzeugt AssCreed (im Business Slang) leider keinen so guten Parcours-Flow. Ich werde ständig irgendwie von irgendwas aufgehalten, seien es Wachen, Schornsteine oder der Pflaster der Straße unter mir, weil Ezio plötzlich temporäre Kurzsichtigkeit entwickelt hat. So macht ankommen weniger Spaß, als möglich wäre. Die einzigen Momente, in denen die Free-Run-Mechanik gut funktioniert und einen sauberen Spielfluss erzeugt, sind die speziellen Kraxel-Level, in denen es einen wirklich Heidenspaß macht, von Balken auf Balken und von Topfpflanze auf sinnfrei rumhängende, aber perfekt platzierte Bretterplattformen** zu springen. Diese Momente haben dem ersten Teil gefehlt und hier ist AC II tatsächlich ein Fortschritt. Aber darüber hinaus, als in den Städten, hat es dieselben Schwächen wie sein Vorgänger.

via wikimedia commons

  1. Anschleichen

Der zweite Teil von Missionen besteht meist darin, dass man sich seinem Ziel nähert. Das Problem dabei: Die Stealth-Mechanik ist nur rudimentär vorhanden. Entweder werde ich sofort entdeckt oder es reicht, sich zwanzig Meter weit weg zu bewegen und schon ist dieser große, muskulöse Italiener mit der bunten, sehr auffälligen Kleidung nicht mehr verdächtig**. Manchmal sieht man die Gegner auch nicht und fragt sich dann, warum die Mission plötzlich gescheitert ist, weil man doch nur eine Wache ausgeschaltet hat. Also, Stealth ja, aber auch nur irgendwie halbgar. Hier hat sich Ezio gegenüber Altaïr nicht sehr verbessert.

via wikimedia commons

  1. Meucheln

Das Missionsziel besteht oft darin, eine bestimmte Person zu töten. Dies ist ja schließlich auch der Hauptaspekt des Spiels, immerhin waren Assassinen nicht dafür bekannt, die besten Tulpen jenseits von Aleppo zu züchten. Letztlich aber meuchelt man beständig irgendwelche Leute weg, die irgendwie wichtig für die verhassten Templer sind, aber wie genau das alles zusammen passt und welchem Menschen man da gerade die Armklinge in den Hals gerammt hat, das interessiert nicht so wirklich. Ich hätte hier mir gerne mehr Mühe für den finalen Kill gewünscht, dass hätte den Mord für den Spieler als Belohnung und richtigen Fortschritt aufgewertet (auch wenn der letzte Satz irgendwie sehr verstörend klingt). Hier hat der Vorgänger tatsächlich eine interessante Mechanik gehabt: Durch das Erfüllen der (immer gleichen) Aufgaben von Verbündeten in der Stadt hat man immer mehr über das Opfer erfahren und konnte sich so einen Plan zurechtlegen. Bei AC: B sind die Morde an den Missionszielen stellenweise einfach zu leicht und dieser essentielle Teil der Mechanik verliert leider schnell an Reiz.

  1. Flucht

Nachdem man sein Missionsziel erfüllt hat, muss man oft genug vom Tatort fliehen. Das gelingt meist recht gut und flüssig, auch wenn es bisweilen reicht, ein paar Meter zu laufen und sich auf eine Bank zu setzen, und schon erkennen einen die päpstlichen (oder was auch sonst immer für) Wachen nicht mehr**. Aber okay, hier geht’s um die Mechanik. Lediglich hin und wieder ist mir aufgestoßen, dass man auf der Flucht, wenn die ganze Stadt alarmiert zu sein scheint, keine Möglichkeit hat, sich zu verstecken, da man, sobald man aus dem Versteck (z.B. die besagte Bank oder eine Menschengruppe) ausbricht, sofort wieder verfolgt wird. Leider muss man aber unerkannt sein, damit mandie nächste Cutscene abrufen kann. Also entweder bin ich zu doof, die Programmierer waren schlampig (wie mit einigen anderen Sachen im Spiel, aber naja) oder man muss tatsächlich Unmengen von Rauchbomben einsetzen, um die Verfolger abzuschütteln. Aber im Großen und Ganzen will ich hier nicht viel meckern. Leider hat sich hier aber auch im Vorgänger nicht viel verändert.

  1. Schwertkampf

Oft genug wird man auf der Flucht hin und wieder in Schwertkämpfe verwickelt. Im ursprünglichen Assassin’s Creed waren diese auch als zu leicht kritisiert worden und in Teil zweidrittel wurden sie dementsprechen, ehm, noch leichter? Genau, dank einer erhöhten Waffenanzahl, mehr Moves und nicht zuletzt den Assassinen-Zöglingen sind die Kämpfe zwar ein Tick spektakulärer, man braucht aber zumeist immer noch nur den Schlag des Gegners zu kontern und schon hat man gewonnen. Statt also den einzelnen Kampf aufzuwerten, indem man es etwas schwerer macht, fühlt man sich noch mehr als Über-Assassine und metzelt Papst-Wachen nieder, als hätte Abstergo irgendwo ein Renaissance-Klonlabor stehen (mal ehrlich: wer meldet sich bei dem Bodycount noch freiwillig als Stadtwache?**). Ich mochte den Schwertkampf in AC und AC II, aber trotzdem: eine höhere Hürde hätte hier gut getan, so wirkt der Sieg ein wenig wie geschenkt.

Wie gezeigt: AC: B hat zwar viele Missionen, die laufen meiner Meinung nach aber viel zu oft viel zu gleich (und stellenweise zu leicht) ab. Ich hatte hin und wieder Momente im Spiel, in denen ich auf die Stadtkarte von Rom geschaut hab und mir dachte: „Och nö, jetzt hab ich die Auswahl zwischen fünf verschiedenen Missionen, aber in allen mache ich nichts, was ich nicht vorher schon gemacht habe.“ Und das ist meiner Meinung nach der zentrale Punkt: Die Spielmechanik hat sich einfach erschöpft. Das war schon in AC II der Fall, aber dort konnte Ubisoft das noch gut kaschieren, indem man des öfteren die Stadt gewechselt hat und weil die Story viele neue Aspekte vorgestellt hat. Aber in AC: B ist man fast ständig in derselben Stadt, springt über die selben Dächer und erledigt, bis auf die genannten Highlights, die gleichen Aufgaben. Leider kann auch die Story nicht wirklich fesseln. Ezio ist kein tragischer Held mehr wie in AC II, stattdessen wirkt er ein wenig hin und her gerissen zwischen seinen Mitstreitern und scheint keinen wirklichen Plan zu verfolgen. Und Desmond wirkt noch immer völlig willenlos, wie seit dem ersten Teil. Für mich hätte es storytechnisch noch etwas rausgerissen, wenn man mit Desmond und seinen Kollegen noch ein bisschen mehr hätte klettern und kämpfen können. So muss man zu Beginn des Spiels tatsächlich mit Desmond und Lucy durch den Untergrund Monteriggionis hüpfen, aber später taucht dieser Aspekt gar nicht mehr auf. Zwar kann man Ezios ehemaligen Toskana-Wohnsitz auf eigene Faust erkunden, aber dieses Abenteuer ist nicht weiter in den Ablauf der Story eingebunden. Eine vergebene Chance, wie ich finde.

Alles in allem ist AC: B ein gutes Spiel, es mach Spaß, es fesselt, es ist an den wichtigen Stellen gut designt und überhaupt, wer zum ersten Mal mit der Assassin’s Creed Reihe in Berührung kommt, wird seinen Spaß haben. Nur, wer die ersten beide Teile schon kennt, der wird schnell merken, dass die Serie spielmechanisch auf der Stelle tritt. Zwar wird immer wieder versucht, neue Aspekte in den Spielablauf zu integrieren, aber der Kern des Spiels, Parcours-Meucheln-Story, entwickelt sich kaum bis gar nicht weiter. Und deshalb ist Assassin’s Creed: Brotherhood zwar ein gutes Spiel, aber kein gutes Sequel.

 

JH

* Verzeiht diesen eigentlich unnötigen Einsatz sexueller Terminologie.
** Achtung, Videospiellogik