Wie ich bereits in der ersten Folge von Kladdaradatsch erklärt habe, besagt das sogenannte Godwin’s law, dass während einer Diskussion, welche sowohl on- als auch offline stattfinden kann, mit zunehmender Dauer, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nazi-Vergleich eingeworfen wird, steigt. Klemmt der Ironie-Detektor, so sollte man die Finger vom Godwin des Monats lassen, tut er’s nicht, so könnte man, an dem ein oder anderen Samstag nen Anlass zum Schmunzeln bekommen.

Wie ihr euch denken könnt, eignen sich bestimmte Reizthemen besonders gut für abwegige Vergleiche mit dem braunen Kindergarten. So bekam ich denn auch die Möglichkeit, die erste Runde feierlich im Rahmen einer Dikussion über Behinderungen eröffnen zu dürfen. Dabei half mir ein gewisser Kommentator eines Onlineartikels der Vice.

Schätzchen, du bekommst von mir den ersten Godwin Point!

(via Vice)

An der Vice scheiden sich die Geister, obwohl es eigentlich nicht nötig wäre. Es handelt sich definitiv nicht um die beste Zeitschrift, die ich je gelesen habe, aber ich gebe gerne zu, dass mir die sporadische Lektüre dieses Heftes schon spaßige Momente bereitet hat. ( Und das nicht nur, wenn Anni mal wieder aus unserem Klo stürmt, weil sie von dem Bericht über eine Frau, die versucht, einen ganzen Tag lang David-Lynch-Kaffee zu trinken, vollauf begeistert ist.)

Es geht um die Grautöne. Aber Farbenblindheit ist eine weit verbreitete Behinderung.

Der Artikel trägt den zugegebenermaßen etwas flapsigen Titel “Klapsen-Disco” und stellt den Erfahrungsbericht eines Journalisten dar, welcher einer Feier  in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt beiwohnte. Er schreibt aus der Perspektive eines Menschen, der die Welt der Psychiatrie nicht kennt. Es handelt sich also logischerweise um eine Außenperspektive. Ich für meinen Teil finde, dass der Artikel in einem sehr ehrlichen und dadurch eventuell salopp wirkenden Ton geschrieben ist.

(via wikipedia)

Da es sich nicht um eine Fachzeitschrift handelt, ist dieser Ansatz durchaus angebracht, da er vor dieser Begegung mit den Psychiatriepatienten, wahrscheinlich genauso wenig Erfahrungen mit dieser Welt machen konnte, wie der Großteil der Leser. Er holt letztere da ab, wo sie stehen und schafft dadurch einen passenden Zugang zum Thema. Fachtermini wären in diesem Kontext unangebracht und würden auch das Ziel des Artikels verfehlen. Er benutzt genau jene Ausdrücke, welche so gut wie jeder irgendwann schon mal mehr oder weniger gewollt in den Mund genommen hat, um das Fremde, gar Beängstigende zu betiteln. Er macht aus seinem Unbehagen auch keinen Hehl: “Ich wäre auch gerne so locker, aber irgendwie bringe ich das nicht, stehe verloren am Rand der Tanzfläche und bin dabei peinlich berührt, fühle mich wie der geilste Voyeur nördlich des Äquators.”

In dieser Disko ist er der Fremde, in dem Kontext, der ihm fremd ist.

So schnell kann der Ausdruck “abnorm” eine ungeahnte Wendung nehmen.

Mit dem gestörten Adolf hat das trotzdem nix zu tun.