Walde hat es mir vorgemacht und da muss ich natürlich Stellung beziehen. Meine liebsten Momente der letzten Konsolengeneration. Das ist ein durchaus hoher Anspruch, kann nie allen gerecht werden und ist natürlich arg subjektiv. Aber das ist absolut in Ordnung. Solche Listen werden nämlich nicht erstellt, um einen Metacritic-Absolut festzustellen, sondern um die Hingabe von uns Gamern in unterschiedlichen Momenten auszudrücken.

Manch einer freut sich über „Faster Than Light“ und andere vergessen die kontroverse Terror-Mission aus „Call of Duty: Modern Warfare“ nicht mehr. Meine persönlichen Höhepunkte sollen solchen Meinungen nicht widersprechen, sondern vielmehr Zustimmung aussprechen und den ein oder anderen Moment hinzufügen, den manch anderer vielleicht nicht auf der Liste hat. Als letzte Warnung bei Unverständnis: Im Zweifelsfall haben Momente, die mich per Gameplay haben handeln lassen den Vorzug erhalten, da das aus meiner Sicht Spieler noch mehr ins Geschehen einbindet. Aber es gibt Ausnahmen…

Via Flickr by Anna Fischer

Elizabeth

SPOILERS, AHOI! Natürlich wird in solch einem Artikel gespoilert was das Zeug hält.

 

10: Old Snake vs. Liquid Ocelot (Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots)

20 Jahre Videospiel-Geschichte werden zum Abschluss in einen Kampf gesteckt. Damit ist nicht bloß die Geschichte der MGS-Reihe gemeint, sondern auch die Videospielgeschichte selbst. Der mehrstufige Bossfight, der plötzliche Stilwechsel zum 3D-Brawler und die cineastischen Sequenzen vor, nach und während des Kämpfens mischen Trends der letzten Spieljahre zusammen. Dazu gesellen sich alte Soundbytes aus vorigen Games und ein Bombardement an Liedern aus allen vier Teilen. Wie abgehoben es auch wirken mag und selbst wenn man wie ich keinen vorigen Teil gespielt hat, spürt man in jedem Moment der Aufmachung dieses Endkampfes, das hier etwas ganz Großes abgeschlossen wird.

Und wem diese nostalgische Komponente fehlt, der zählt eben nur die Fakten zusammen: Zwei Opas kämpfen mano a mano mit bloßen Händen, und einer der Beiden oberkörperfrei, auf einem nuklearen U-Boot um das Schicksal der Welt. Trashiges Action-Film-Spionage-Herz was willst du mehr?

9: Heimatstadt (The Last of Us)

Ich gebe zu, dass „The Last of Us“ mich bei weitem nicht so weggeblasen hat, wie so manch anderen Reviewer. Als „Swansong for the PS3“ (IGN) betitelt, hat der letzte Naughty-Dog-Titel jedoch richtig viel Lob einheimsen können. Auch ich finde das Spiel richtig gut, doch neben einigen Problemen mit dem Aufbau der Story und dem Fischen nach Zombie-Tropes mache ich auch den Auftakt des Spiels für meinen ausbleibenden Überhype aus.

Der Grund dafür ist, dass der Anfang des Spiels einfach zu gut ist. Nahezu frei von Gameplay aber dafür unfassbar eindringlich dargestellt wechselt man von Joels Tochter Sarah in die Perspektive Joels selbst. Auf dem Weg dorthin sieht man den Ausbruch der Krankheit, die pragmatische Seiten Joels und muss schließlich den Tod des einzig moralisch gut erscheinenden Charakters in einer tragischen Szene miterleben. Als Sarah an den Schüssen eines Militärbefehlempfängers stribt, stirbt auch ein kleiner Teil unserer Empathie. Dieser Moment ist ein weiterer Beweis für die cineastischen Fähigkeiten von Videospielen mittels MoCap.

Dass das Spiel in der Folge viele Elemente wie das Militär und die Staatsgewalt völlig außen vor lässt und die Tochter-Projektion auf Ellie teils ein wenig dick aufträgt, ist für den fantastischen Anfang jedoch kein Problem. Diesen kann man wieder und wieder erleben und wird stets wieder das beklemmende und bedrückende Gefühl in der Brust verspüren, wenn Sarah ihren letzten Atemzug tut und davor wie ein verletztes Hundebaby quietscht und leidet.

8: Pinky Swear (Heavy Rain)

David Cage wird in der Spielebranche entweder als ambitioniert bewundert oder als Anti-Gamer gehasst. Er träumt von Fotorealismus und großem Kino und vergisst zwischendrin gerne mal das Spiel. Das aber auch heutzutage Nachfolger der Text-Adventures funktionieren, beweisen jedoch besonders die Macher der Telltale-Reihen „The Walking Dead“ und „The Wolf Among Us“ (mit weiteren Reihen in der Mache).

Gerade weniger auf Arcade getrimmte Spieler und Genießer interaktiver Geschichten können Teil einer Geschichte werden und müssen sie nicht wie im Fernsehen bloß rezipieren. In „Beyond: Two Souls“ hat Cage nach dem Geschmack vieler Gamer ein zu lineares Erlebnis gestrickt und hat dabei den Entscheidungstrend, den er selbst in „Heavy Rain“ noch gut einbaute, außen vor gelassen. Entscheidungen wurden sehr minimal gehalten, damit die Erzähler ihre Geschichte möglichst getreu erzählen können. Das heißt weniger Plotlöcher und Unebenheiten als in „Heavy Rain“, doch der Druck, dass jederzeit ein Charakter sterben könnte, weil Hinweise verpasst oder Aufgaben misslungen sind, mindert die Einbindung der Spieler gewaltig.

Offenbart wird die Einbindung des Spielers für mich in einer Szene, in welcher Protagonist Ethan Mars sich vor laufender Kamera einen kleinen Finger abschneiden muss. Über Quicktime-Events, die unter dem Stress des Charakters verschwommen und wackelig über den Bildschirm huschen schneidet, sägt oder hackt ihr euch den kleinen Finger ab, um Informationen über den Aufenthalt eures Sohnes zu erfahren. Dass es mir heute noch im kleinen Finger kribbelt, wenn ich an diese Szene denke, sollte Grund genug sein, dass dieser Moment in einer solchen Liste aufgeführt wird.

7: Hilflos (Journey)

Journey hat 2012 für viel Aufsehen gesorgt, da es sich um ein Spiel handelte, welches als Indie-Game mehr Publicity als die meisten AAA-Titel erfuhr. Es entstand ein regelrechter Streit darum, ob es eine Mischung aus klassischem Videospiel und einer „Experience“ gibt, was in meinen Augen grober Unfug ist. Ein Videospiel zeichnet sich nicht dadurch aus, dass es Highscores gibt oder Gegner die besiegt werden müssen. Es ist die bekannteste Art von Videospiel, aber letztendlich ist die neueste Episode von „The Wolf Among Us“ nicht weniger Videospiel als „Far Cry 3“. Aber das ist eher ein von schlecht umgesetzten Wortschöpfungen aus dem Englischen entstandenes Problem. Oder weiß jemand von euch TATSÄCHLICH, was „gamey“ heißen soll?

Man könnte das recht kurze „Journey“ natürlich als eine große Erfahrung verkaufen, doch für mich war das Unterwasser-Level der Augenöffner. Wenn um einen herum riesige Steinschlangen zum Leben erwachen und euch unter Begleitung bedrohlicher Klänge ans Gewand wollen, schlägt das Herz ganz schnell höher, wenn man es gerade noch in einen Unterschlupf schafft. Wird man getroffen endet das Spiel nicht einfach, sondern ihr kommt nach kurzer Zeit weiter, doch bis zu diesem Moment ist man so auf den Schutz und das Wohl seines stummen Protagonisten aus, dass man über solche Mechaniken nicht lange nachdenkt.

So bittersüß und emotional das Finale des Spiels auch ist, war die Bindung zu meiner Spielgefühl und zu meinem mich führenden Unbekannten Ko-op-Kameraden in dem beschriebenen Moment absoluter Hilflosigkeit unvergleichbar mit dem Spielgefühl jeglicher anderer Spiele dieser Konsolengeneration.

6: Last Stand (Red Dead Redemption)

So wie „The Last of Us“ und „Bioshock Infinite“ den Auftakt eines Spiels ähnlich genial einleiten, ist das ende von John Marston ein beispiel an Konsequenz. Wenn man in einer letzten Mission noch einmal ordentlich blaue Bohnen verteilt und am Ende heroisch suizidal aus der Scheune schreitet und ihr, vergebens, per Dead Eye (eine der besten Mechaniken der letzten Konsolengeneration!) ein paar der Drecksäcke mit ins Jenseits nehmt.

Man kann nicht viel dazu schreiben. John Marston war kein guter Mensch und sein Ende war unausweichlich. Selbst dass er seine Familie retten kann, ist kein Sieg für ihn. Johns Sohn folgt dem Vater und wird selbst ein Mann zwischen dem Gesetz und ist von Rache getrieben, um den Mörder seines Vaters ins Jenseits zu befördern. Das ist kein glückliches Hollywood-Ende, aber das Ende eines klassischen und klasse Western.

5: Would You Kindly? (Bioshock)

Die für Gamer berühmt berüchtigte Szene in welcher der Protagonist aus „Bioshock“ endlich auf Andrey Ryan trifft, ist ein Twist wie er im Buche steht. Heutzutage werden Twists zumeist als Effekthascherei verwendet, doch die Cutscene mit Ryan ist auf vielerlei Ebenen ein Spiel mit den Erwartungen.

Nachdem der stumme Protagonist in Videospielen zwar schon in Titeln wie „Half-Life 2“ und diversen Momenten der „The Legend of Zelda“-Reihe auf die Schippe genommen wurde, nimmt „Bioshock“ das Spielprinzip des stummen Protagonisten ins Visier. Es gibt eine Reihe von Interpretationen und Diskursen zum einfachen Befolgen von Befehlen. Spätestens nach „Bioshock“ regt man sich nicht mehr einfach so über Nebencharaktere auf, die einem die ganze Zeit mehr oder minder Befehlen von a) nach b) zu gehen. Das ist die Struktur von Spielen. Sie sind in letzter Konsequenz linear, da es voran gehen muss. Das Spiel befiehlt und wir gehorchen.

In Verbindung mit Ayn Rands Libertarismus wird dieser philosophische Seitenhieb auf das Genre auch gleich eine Interpretation von Rands Idee von vollkommener Freiheit. Unweigerlich beharrt Ryan auf seiner Maxime „a man chooses, a slave obeys“. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. Der Gamer und auch der Mensch… gehorcht. Darüber darf, kann und muss man streiten. Und das ein Videospiel das schafft, ist mehr als nur ein kleines Kunststück. Das ist narrative Magie.

4: Destroy the Syphon (Bioshock Infinite)

Wenn man eine Szene wieder und wieder gucken kann und sie das bisher gesehene bombastisch, abschließend und mit dem nötigen Größenwahn beendet, dann haben die Macher sehr wahrscheinlich Vieles richtig gemacht. Dass das Ende von „Bioshock Infinite“ kontrovers wird, war spätestens ab dem Bekanntwerden der Zeitreisenkomponente, sowie der Existenz von Multiversen klar. Zeitreisen-Geschichten enden nie so, dass es alle glücklich macht. Das scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein.

Wenn der Songbird jedoch den Syphon in einer audiovisuell meisterhaft inszenierten Szene zerstört und Elizabeths/Annas Kräfte endgültig freisetzt, stehen mir auch weiterhin die Haare zu Berge. Dass Booker Elizabeths Vater ist, ist dabei der kleinste Aufreger, denn vielmehr brilliert die Zerstörung des Syphons durch das Zusammenbringen aller Elemente der Reihe.

Direkt nach der atemberaubend dargestellten Vernichtung bringt Elizabeth uns an den Ort, an dem für uns Spieler alles angefangen hat. Wir sind in Rapture und wenn der Songbird bezeichnend für den baptistischen Hintergrund Bookers/Combstocks ertränkt wird, geht schon unter, dass die Rückkehr nach Rapture mehr als eine bloße Chameo ist. Denn wie der erste Teil in Andrew Ryans Rapture sich um unsere Machtlosigkeit als Befehlsempfänger dreht, ist auch Booker letzten Endes nicht der Protagonist und nicht die entscheidende Figur der Geschichte. Er ist ein Mittel zum Zweck und um seinem Zweck vollends gerecht zu werden, gibt er letztlich sogar sein Leben.

Im Gegensatz zur überraschenden Wendung in „Bioshock“ ist das Finale von „Bioshock Infinite“ ein kunstvolles Mosaik, welches sich immer wieder neu zusammensetzen lässt. Es ist ein wenig wie „The Master“ als Film funktioniert (oder für manch andere eben nicht funktioniert) und ist nach dem objektivistischen Ansatz des ersten Spiels mit einem Mal eine äußerst subjektive Perspektive auf den Determinismus.

3: Three Leaf Clover (Grand Theft Auto IV)

Wenn es Menschen gibt die von „Grand Theft Auto V“ enttäuscht waren, dann liegt das in erster Linie am grandiosen Vorgänger. Die Implementierung von Cover-Shooter-Mechaniken à la „Gears of War“ hat aus dem ehemaligen Rambo-Geballer ohne jede Deckung spannende Schusswechsel ermöglicht, wie wir sie aus den ganz großen Gangster-Filmen kennen.

Schon in „Grand Theft Auto: Vice City“ und „San Andreas“ waren die Heist-Missionen die crème de la crème, was sie im fünften Teil auch zu einem Kernstück der neuen Spielmechaniken gemacht hat. So gut, weil intensiv inszeniert, wie der Banküberfall mit den McReary-Brüdern ist allerdings kein Heist aus dem Nachfolger geworden. Wenn ihr euch durch Seitengassen schleicht, gegenseitig Deckungsfeuer beim Überqueren von Hauptstraßen gebt und schließlich bis in verzweigte U-Bahntunnel vorgekämpft habt, ist eine ganze Menge Adrenalin ausgeschüttet worden.

„Three Leaf Clover“ ist eine dieser Missionen wegen welcher es sich lohnt mehrere Speicherstände zu haben, sodass man sich stets einen Platz reserviert hält, um diese Mission in ihrer vollen Pracht genießen zu können. Gameplay technisch geht nicht viel mehr als diese Mission im AAA-Sektor zu bieten hat. Bis auf zwei weitere goldene Gameplay-Momente…

2: Suicide Mission (Mass Effect 2)

Wer Mass Effect 2 mit Walkthrough spielt, der beraubt sich selbst einer großartigen Mission. Das Ende von „Mass Effect 2“ ist der einzige Moment, an welchem sich all die Entscheidungen von Spielern in einem Ausmaß zeigen, der den meisten Spielern gerecht wird. Die eigenen Handlungen entscheiden über Leben und Tod der Kameraden und jeden Moment fragt man sich, ob man den richtigen Mitgliedern die Kontrolle über ein weiteres Team oder das Entschlüsseln von Codes überlassen hat.

Für jede Aufgabe gibt es zwar immer mindestens einen offensichtlichen Kandidaten, doch die wenigsten mir bekannten Gamer haben sich ohne zu speichern an diese Mission gewagt. Auch wenn man sich damit meiner Meinung nach den Reiz nimmt und das über Spiele andauernde Moral-Choice-System in diesem Moment nach hinten losgeht, zeigt diese Furcht und das Mitgefühl seitens der Spieler, dass das System funktionieren kann.

1: Zugunglück (Uncharted 2)

Die Eröffnungsszene von „Unchated 2: Among Thieves“ hat aus mehrerlei Gründen einen speziellen Platz in meinem Herzen. Es ist mein erster Games-Moment mit meiner eigenen PS3 gewesen. Glücklicherweise muss ich diese Szene nicht aufopfern, um das mit Abstand beste Level der Uncharted-Reihe als Highlight der Konsolengeneration zu nennen. Einige werden die Nase rümpfen und das an einigen Stellen unglaublich schlecht balancierte Schiffslevel aus „Uncharted 3“ als Liebling angeben, doch durch perfekten Flow, alternative Wege und einen wunderbar inszenierten Szenenwechsel ist das Kapitel „Zugunglück“ mein klarer Höhepunkt.

Wenn man sich von Abteil zu Abteil vorkämpft und bei voller Fahrt an den Seitenwänden Hindernissen aus dem Weg kraxelt, Gegner abwechselnd im Nahkampf, aus der Deckung oder mit dem Scharfschützengewehr ausschalten müsst und abschließend einen Helikopter per Mini-Gun vom Himmel holen müsst, dann hat man als Spieler innerhalb weniger Minuten alles gesehen, was 3rd-Person-Action möglich macht. Es gibt vielleicht Momente, die meinen Kiefer vor Staunen ausgerenkt haben, doch da das „Zugunglück“ so viele Gameplay-Momente der letzten Jahre nahezu perfekt in nur einem Level vorführt, darf sich „Uncharted 2“ über diesen ersten Platz freuen.