Wenn ich Hausarbeiten schreibe, so wie jetzt, gibt es eine Sache, die ich besonders gerne mache, um mich davor zu drücken: Im Internet nach neuen Trailer suchen. Denn erstens kann mensch das  eigentlich ganz gut dosieren (nach diesem Trailer lese ich ganz bestimmt wieder Curtius Rufus!) und zweitens gibt es doch nichts besseres, als sich auf neue Filme zu freuen.

In letzter Zeit ist diese Freude aber leider getrübt. Obwohl ich einen interessanten Trailer nach dem anderen sehe und fleißig auf meiner Liste von Filmen eintrage, die ich mir noch zu Gemüte führen will, wächst die Wut in mir. Das hat nur sekundär etwas damit zu tun, dass es kaum noch einen Actionfilm gibt, der mich reizt, weil alle in ihrer CGI-Liebe versinken und Storytelling eine verlorene Kunst zu sein scheint. Nein, die Wurzel dieses Übels ist und bleibt die Tatsache, dass wir nach wie vor Geschichten von weißen Männern, für weiße Männer, um weiße Männer zu sehen bekommen.

Und ich hab die Schnauze voll!

via flickr by kevin dooley

voldemort

Das sind Momente, in denen ich mich so fühle.

Ja, Only God forgives sieht ganz großartig aus und Wasteland hat mit seinem britischen Ocean’s Eleven Drive Spaß gemacht; This ist the End wird bestimmt seine Zielgruppe glücklich machen und Now you see me ist schon jetzt von den Kritiker*innen gehyped, weil er ach so kreativ die Finanzkrisen unserer Zeit verarbeitet. Und lasst mich gar nicht erst von den gefühlten hundert Comicverfilmungen anfangen, die dieses Jahr noch rauskommen werden oder gerade im Dreh sind. Trotzdem, ich muss jetzt unbequem werden! Denn was diesen Filmen allen gemein ist, bleibt die Tatsache, dass weibliche Figuren schmerzhaft unterrepräsentiert und Schauspieler*innen in überwältigender Mehrheit weiß sind.

In Now you see me gibt es sieben zentrale Figuren von denen zwei (!) Frauen sind. Die Eine ist Teil des Magier*innenquartetts und zeichnet sich wie ihre drei Kollegen durch fehlende charakterliche Tiefe aus und die Andere ist ein reiner plot device, der ledglich dazu dient, die Zuschauer*innen auf falsche Fährten zu schicken und der love interest zu sein. In Wasteland schließt sich der Protagonist mit seinen drei besten Freunden zusammen um sich an dem Mann rächen, der ihn unschuldig für mehrere Jahre ins Gefängnis gebracht hat. Die einzige nennenswerte Frauenfigur ist seine Freundin, deren Funktion und Charakter nahezu unbedeutend für den Plot ist. Bei den anderen obengenannten Filmen tauchen Frauen zum Teil gar nicht auf oder sind namenloses, hübsches ‚Beiwerk‘… Und lasst uns gar nicht erst von der Repräsentation von PoC reden, denn dort sieht es noch düsterer aus (wie auch Max bereits bei Videospielen anmerkte). Wir befinden uns anscheinend wieder in Zeiten, in denen die Figur eines Native American mit einem Weißen (Johnny Depp) besetzt wird. Mir fehlen immer noch die Worte.

An dieser Stelle scheint es mir wichtig einzuwerfen, dass wir uns im Jahr 2013 befinden. In einer Zeit, in der sich jede*r Feminist*in früher oder später anhören muss, dass er*sie doch bitte ruhig sein soll, weil für die Gleichberechtigung doch alles getan sei. Eine Zeit, in der behauptet wird, dass der Zimmerman-Fall nichts mit race zu tun hatte.

Ich würde gerne an diesem Ort wohnen, von dem da gesprochen wird. Aber wenn wir werfen wir einen Blick in unserer Zeitungen und Internetblogs werfen, dann sehen wir: es ist eben doch eine Zeit, in der in Texas nur eine Frau zwischen den Texaner*innen und einem neuen Gesetz stand, das Abtreibungen so gut wie unmöglich gemacht hätte (und die es letztendlich nur verzögern konnte). In der victicm shaming in Vergewaltigungsfällen an der Tagesordnung ist, in der white washing zur Normalität gehört und in der Frauen und PoC so schlecht in Filmen repräsentiert sind wie schon lange nicht mehr.

Strukturell ist das Alles fast erschreckend einfach zu erklären. Denn wie in allen anderen Gleichberechtigungs- und Diskriminierungsfragen ist es letztendlich Macht, um die es geht. Und wer hat nach wie vor die Entscheidungsmacht in der Filmbranche? Männer! Produzent*innen, Drehbuchautor*innen, Regisseur*innen und Kameramenschen sind statistisch immer noch hauptsächlich Männer und zudem größtenteils weiß. Das heißt natürlich nicht, dass es sich bei allen um sexistische und rassistische Arschlöcher handeln muss, aber die Erfahrung zeigt: Mensch verarbeitet und schreibt über das, was er*sie kennt. Und so sehen wir – Jahr ein, Jahr aus – die immer gleichen Geschichten: Der erfolgreiche Künstler in der Lebenskriese, die schwierige Vater-Sohn-Beziehung, der nach dem Sinn suchende, verunsicherte Mittzwanziger…

Das ist alles so langweilig!

All das wurde schon tausendmal erzählt, aber was wir nicht zu sehen bekommen, ist eine weibliche Figur, deren einziges Bestreben nicht das Finden der Großen Liebe ist, Actionfilme mit Native Americans, die nicht nur ein bloßes Stereotyp darstellen, chinesische Schauspieler*innen, die nicht nur wegen ihren Kung Fu-Künsten gecastet wurden oder mehr als ein*e African American in der Hauptrolle eines  Blockbusters, in dem es sich nicht um die Unterdrückungsgeschichte in den USA handelt.

Wir brauchen neue Geschichten. Wir brauchen Storytelling, das nicht bloß alte Kamellen neu aufwärmt. Wir brauchen Held*innen in allen Formen und Größen. Egal welche sexuelle Identität, welches Geschlecht, welche Hautfarbe – unsere Welt ist vielfältig (ja ich weiß, das klingt cheesy) und so sollte auch unsere Medienlandschaft sein.

via flickr by fred_v

käse

Ja, ja, ich bin Idealistin.

Aber anstatt das zu fördern bleiben die weißen Herren bei ihren altbekannten Mustern und geben uns ‚gute‘ Argumente, warum das in diesem oder jenem Fall nicht anders ging. „Aber es handelt sich doch um eine Adaption, das Original ist nun einmal so, da gab es keine Person of Color“, „Im 18. Jhrd. waren Frauen eben nicht so präsent“ oder auch „Wir wollten eine*n bekannten Schauspieler*in, deswegen haben wir die Figur umgeschrieben“.

Selbst wenn mensch diese Argumente akzeptieren würde, ändert das nichts an dem Grundproblem. Denn ist es nicht merkwürdig, dass es für jeden Film so einen vernünftigen Grund gibt, der praktischer Weise den punktuellen Sexismus/Rassismus/Heterosexismus erklärt? Wenn mensch eine Ausnahme damit begründet, dass hier bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden mussten, weil der Fokus der Story das nicht hergab, dann kann ich das vielleicht akzeptieren. Wenn aber in der Mehrheit der Filme weibliche Figuren generell schwer zu finden sind, homosexueller Sex immer weniger dargestellt wird als heterosexueller, PoC als Hauptfiguren rar bleiben und konstant whitewashing betrieben wird, dann sollte bei jedem*r eine Alarmglocke läuten – schrill und sehr laut. Denn Achtung: Wir haben ein strukturelles Problem!

Die traurige Wahrheit bleibt, dass wir uns nicht auf unserer ‚toleranten‘ Gesellschaft ausruhen dürfen. Auch wenn wir in vielen Bereichen – zumindest was die Geschlechter Mann und Frau betrifft – rechtliche Gleichstellung in Europa und Amerika haben, ändert das nichts daran, dass unsere Gesellschaft noch weit davon entfernt ist wirklich gleichberechtigt zu sein. Dies gilt noch mehr für Fragen, die Homo-, Trans- und Intersexualität betreffen, ganz zu schweigen von den rechtlichen Problemen wie racial profiling, wenn es um Diskriminierung aufgrund von race geht. Um unsere Gesellschaft zu ändern braucht es mehr als Gesetze, es braucht das Umdenken in den Köpfen der Menschen. Das werden wir aber nie erreichen, wenn wir uns jedes Jahr im Kino die immer gleiche Geschichte mit einem anderen weißen Schauspieler anschauen.