Manchmal ekelt es mich an, ein Mensch zu sein. Oder zumindest zur selben Spezies zu gehören wie manch andere Exemplare der Gattung Homo Sapiens Sapiens. Ich war zugleich amüsiert und geschockt, als Menschen in Großbritannien anlässlich des Todes der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher auf die Straße gingen und feierten. Es ist nicht so, dass ich nicht verstehen könnte, dass die Briten und Briteninnen froh sind, den Monolithen Thatcher und alles schlimme, was sie verkörpert, nun auch physisch los zu sein. Aber ich finde es geschmacklos, den Tod eines Menschen zu feiern. Man kann die Taten eines Menschen kritisch hinterfragen oder anprangern, aber zu sagen „Gut, dass dieser Mensch tot ist“, nein, das zeugt von Gehässigkeit und Zynismus. Ich habe mich auch gefragt, warum niemand Angela Merkel, Vorsitzende einer Partei, die das Attribut „christlich“ im Namen trägt, ausführlich dafür gescholten hat, dass sie dereinst sagte, sie sei froh gewesen, dass Osama Bin Laden tot sei. Bin Laden war mit Sicherheit ein Arschloch und sein Tod stellt fraglos keinen Verlust für die Menschheit dar, aber dort wurde jemand von Staats wegen her umgebracht, ohne auch nur ansatzweise ein demokratisches Verfahren zur Urteilsfindung über einen Verbrecher zu bemühen. Und das findet die deutsche Bundeskanzlerin gut? Wir Deutsche haben die Demokratie nicht gerade mit Löffeln gefressen und haben in der Vergangenheit selbst nicht vor drastischen Lösungen für ungestellte Fragen zurückgesteckt. Aber müssten wir als erste nicht deshalb darauf hinweisen, dass man den Tod eines Menschen nicht feiert? Ich find’s einfach geschmacklos.

yuppie handbook_dinoboyOhne die Reagan-Jahre oder den Thatcherismus hätten wir immerhin ein Feindbild weniger! Via Flickr.com, by dinoboy

Genauso geschmacklos übrigens, wie Supermarkt-Tortellonis (Tortellinis?) mit Fleischfüllung. Hat sich jemand ernsthaft mal die Mühe gemacht herauszufinden, ob es einen geschmacklichen Unterschied zwischen einer sogenannten „Fleischfüllung“, der Käse-Füllung und der Spinat-Ricotta-Füllung gibt? Ich nehme stark an, dass dies nicht der Fall ist. Aber warum kaufen wir dann trotzdem wie blöde Fleischfüllungen? Warum gibt es keine Tiefkühl-Tofu-Lasagne und wie schwer kann es bitte sein, eine Tiefkühlpizza zu entwickeln, die keinen Fleischbelag hat und trotzdem schmeckt? Mensch verstehe mich bitte nicht falsch, ich bin kein Vegetarier, aber das hält mich nicht davon ab, mal stark zu hinterfragen, warum unser Speisezettel heutzutage so verdammt fleischzentriert ist.

Mein Mitbewohner Jens (Veganer) kaufte sich dereinst etwas Apfelrotkohl (aus der Kühltruhe) mit Röstis, nur um anschließend daheim festzustellen, dass die Produkte Schinken- oder Schinkenaroma enthielten. Beide waren wir darüber sehr verdutzt und verärgert. Schließlich sind die zwei Produkte eigentlich vegetarisch und können ohne viel Aufwand vegetarisch hergestellt werden. Und trotzdem: Fleisch wohin mensch schaut. Nochmal: Ich esse Fleisch. Gerne sogar. Aber ich mache einen größtmöglichen Bogen um alle Nahrungsmittelindustriefleischprodukte (beispielsweise die mittlerweile berühmte Gammel- oder Pferdefleischlasagne), weil ich die massenhafte Verarbeitung von Lebewesen zu kleinen geschmacklosen Klümpchen eklig finde. Und obendrein ist das auch Verschwendung. Was mich immer wieder am meisten ärgert ist dabei einfach, dass diese Fleischzutaten teilweise ohne wirklichen Mehrwert im Produkt sind: Tortellinis schmecken nicht viel anders, die Röstis würden vielleicht weniger nach Salz schmecken und eine Vier-Käse-Pizza könnte mit ordentlichem Käse darauf genauso gut sein, wie eine Schinkenpizza.

cheese pizza_miriamwilcoxIch glaube, ich bekomme gerade Hunger.Via Flickr.com, by miriamwilcox

Wenn in irgendeinem Produkt eine Fleischfüllung Sinn machen würde, dann hätte ich weniger Probleme, diese zu essen. Aber in der derzeitigen Situation profitiert von der Fleischflut in der Nahrungsmittelindustrie nur eine*r: Der Zwischenhändler oder die Zwischenhändlerin. Denn die kaufen die Fleischmengen an und verkaufen sie weiter, haben also ein großes Interesse daran, dass die Industrie ganz viel Fleisch verarbeitet. Natürlich muss dieses Fleisch aber billig sein, was also massenhaften Ankauf Fleisch und seinen Resten zur Folge hat. Da dies meisten innerhalb kurzer Zeit und europaweit geschieht, gibt es kaum Möglichkeiten zur qualitativen Kontrolle der Erzeugnisse und

BÄ-BÄM!

Fleischskandal!

In der ganzen Berichterstattung über Gammelfleisch, falsch deklarierte Nicht-Bio-Bio-Eier oder die gute alte Pferdelasagne fehlt mir dieser Aspekt am dringendsten: Die ganze Funktionsweise der Lebensmittelindustrie fördert derartige Skandale (und das nicht erst seit gestern!). Es geht um möglichst weitreichende Produktion möglichst billiger Waren, die zu möglichst hohen Preisen verkauft werden sollen, indem den Kundinnen und Kunden eingeredet werden soll, er/sie kaufe ein hochwertiges Produkt. Und wir dummen Idioten von Kund*inn*en spielen das Drecksspiel noch mit und kaufen den Scheiß, weil wir zu faul (ja! Faul!) sind, uns um unser eigenes Essen zu kümmern. Klar, nicht jeder ist faul, manche haben auch schlicht keine Zeit. Aber warum haben wir keine Zeit? Weil unser Arbeitsleben uns unter Druck setzt, möglichst viel und gewinnbringend zu arbeiten und möglichst wenig Zeit mit anderen Sachen wie Nahrungszubereitung und -aufnahme zuzubringen. Statt also etwas an der Funktionsweise des ganzen Nahrungsmittelindustriesystems zu ändern, schreien Politik und Bürgerinnen und Bürger ceter et mordio, tönen laut nach Reformen, stärkeren Kontrollen und härteren Strafen, rennen dann aber in den nächsten Supermarkt und machen Hamsterkäufe von Fertighamburgern.

Wir selbst sind die Verursacher von Lebensmittelskandalen. Indem wir durch unser Konsumverhalten der Industrie fortwährend bestätigen: Ja, wir wollen billig und nein, wir interessieren uns kein bisschen dafür, was wir da eigentlich in uns hineinschaufeln. Würden wir mehr darauf achten, was und wie wir essen, dann müsste auch die Industrie auf die geänderte Nachfrage am Markt reagieren und ihr Angebot entsprechend anpassen. Aber da niemand daran Interesse hat, da damit weniger Geld zu machen ist (Mehr Arbeit = Mehr Geld, auch für die Konsumentinnen und Konsumenten), dreht sich die Knochenmühle der Fleischindustrie immer weiter, bis wir irgendwann nur noch künstliches Gen-Fleisch vorgesetzt bekommen und uns dann wundern, warum alle Welt plötzlich krank wird. Und ignorieren weiterhin den offensichtlich verrückten Menschen in der Fußgängerzone, der lauthals verkündet: „Soilent Grün ist Menschenfleisch! MENSCHENFLEISCH!“

Im Ernst: Wir sollten hinterfragen, wo unser Essen herkommt. Deswegen finde es auch so gut, wenn Restaurants oder Imbisse sich selbst bestimmte Standards setzen, wie auf biologische und/oder regionale Waren zurückzugreifen. Wie beispielsweise das Café MoMo oder der neue japanische Imbiss „Chibi-ya“. Und da mich das ganze Geschreibe über Essen hungrig gemacht hat, pilger ich jetzt mal dorthin. Guten Appetit!