Gamer sind keine Nische und wollen es auch nicht sein. Punkt! Nein, streicht das! Ausrufezeichen! Meine Güte, da holt Max aber schon arg verbrannte Kastanien aus dem Feuer. Man riecht schon gar nicht mehr den Ruß seitens Roger Eberts Aussagen von 2010, dass Videospiele keine Kunst sind. Auch die peinliche Magazin-Klamotte seitens RTL, die sich da Journalismus schimpft (RTL Gamescom-Beitrag!) und Menschen wie Christopher Hitchens im Grab wie ein Brathähnchen rotieren lassen dürfte, ist vergessen.

Denn Ebert, sowie auch das große RTL mussten sich brav zu einer Entschuldigung zwingen (lassen). Spiele könnten irgendwann Kunst sein, heißt es plötzlich einlenkend und Videospieler würden doch nicht alle Probleme mit ihrem Körper und daran anhaftenden Gerüchen haben. Bevor es jemand in den falschen Hals bekommt: Oh, ja! Und wie da Schweiß und Co. auf der Gamescom in Köln vorhanden sind, aber man zeige mir bitte die überlaufene Indoor-Massenveranstaltung, die perfekt klimatisiert und nicht exklusiv für die Gehaltsklasse 100.000€ im Jahr plus gedacht ist.


Dank RTL kenne ich ein neues Wort: Alles-o-phob!

Aber zurück zum Punkt. Wie kann es im Jahr 2012 noch angehen, dass wir weiterhin streiten müssen, ob Videospiele Kunst sind.
Die Kritiker selbst sollten sich klar werden, was eigentlich Kunst ist.

Oft kommt es in ausschweifenden Diskussionen zu Aussagen der Sorte, dass Videospiele im Gros nur „unterhaltsam“ seien. Im gleichen Atemzug wird darauf hingewiesen, dass auch die meisten „Bücher, TV-Shows und Filme“ nicht in die Kategorie Kunst fallen. Aha! Na, jetzt denken wir mal schön über diese Aussage nach. Während es ganz klar Filme und Bücher gibt, die wir als Teil der Kategorie Kunst betrachten, will man Videospiele kategorisch als Nicht-Kunst abwerten.

Der – inzwischen nicht mehr ganz aktuelle – Meinungs-Artikel aus dem Spiegel führt an, dass sich Gamer und die Branche oft auch auf künstlerische Nischengames beziehen, wenn man das Videospiel als Kunstform verteidigen möchte. Wieso soll diese Art der Argumentation fragwürdig sein, wenn Filmkritiker für ihren Bereich ebenso argumentieren. Redet man über die großartige Kunstform Film, dann fallen nicht Titel wie „Harte Jungs“, die „Werner“-Reihe und „Keinohrhasen“.

Interessant und zumindest in Ansätzen legitim finde ich den Ausspruch aus dem Artikel, dass Kunst „Selbstflexion [auslösen]“ können soll. Wenn wir auf diesen Punkt abzielen, dann frage ich die imaginäre Jury, wie die Themen des Objektivismus und Ayn Rands „Atlas Shrugged“ im Bestseller Bioshock nicht dazu anregen, sich Gedanken über sich selbst und eine utopische Welt wie Rapture zu machen.

Via flickr by ki-mo-no
ny05:rockstar games
Kontroverse Aussage: Rockstar Games machen Kunst… wenngleich nicht
für jedermann sichtbar

So viel dazu, dass es nur im Filmbereich auch Massenphänomene gäbe, wie das im Stern erwähnte Beispiel „Der Pate“.

Ich will mich natürlich nicht nur an einem Kommentar aus dem Spiegel und Eberts Aussage festnageln lassen, aber an solchen Beispielen zeigt sich deutlich, dass Kritiker gerne ihre Grenzen überschreiten. Wenn sie dies notgedrungen tun, weil der Job es ihnen abverlangt, will man ein auge zudrücken und „Schon gut, mach dir mal keinen Kopf!“ flüstern.

Wenn dann aber ungefragt Filmkritiker ihr Medium mit dem Videospiel vergleichen meinen zu müssen oder Stern-Journalisten unbrauchbare Vergleiche zum Industriedesign ziehen, dann wird einfach wieder mal offenkundig, dass unkundige Menschen ihren Senf auf den Bratwürsten anderer verteilen meinen zu müssen.

Nicht einmal wird die Möglichkeit der Interaktivität einbezogen. Es ist einfach traurig zu sehen, dass man von den meisten Kritikern schnell den Eindruck gewinnt, dass sie in ihrem Leben noch kein Videospiel gespielt haben und im besten Fall auf eine handvoll Titel zurückgreifen. Zudem wird in ihrer Argumentation immer wieder deutlich, dass es keine einheitliche Beschreibung davon gibt, was Kunst ist. Die vorgelegten und zusammengefassten Argumente des Stern-Kommentars sagen aus, dass Filme und Bücher das Potenzial haben Kunstwerke zu erschaffen. Kunst per se sind sie nicht, wie sich herausstellt.


Die 1-Million-Euro-Frage: Hat die Moderatorin sich schon mal reflexiv mit Videospielen auseinandergesetzt?

Auch genau wegen dieser Diskussion und eigenen Erfahrungen wie niedrig der Stellenwert von Videospielen in unserer Gesellschaft ist, möchte ich, dass ihr euch zumindest klar macht, was so ein Verhalten anstellen kann. Ausgerechnet Etienne von GameOne hat die weisen Worte ausgesprochen, dass es auch bei Büchern und Filmen unglaublich viel minderwertige Ware gibt. Warum sich also bei Videospielen nur aufs Negative konzentrieren? Der nicht viel ältere Blutsbruder der Unterhaltungsbranche Comic wird als Kunst angesehen (und sollten sie auch nicht im Allgemeinen). Über Alan Moores „Watchmen“ streitet allerdings nicht mal die Fachpresse. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, was Kunst ist, lässt sich in solchen Momenten wieder sehr schön beobachten.

Entweder gibt es also überhaupt keine Kunst, sondern wir betreiben die Kunst des Schönredens von Dingen, die uns anspruchsvoll erscheinen oder man sollte seine engstirnigen und fehlerhaften Aussagen überdenken, bevor man behauptet, dass etwas Kunst ist.

Eure Meinung? Oder habt ihr keine? Ist Kunst nur ein Kunstbegriff (ha ha)? Habt ihr Gründe, warum Videospiele nicht auch Kunst hervorbringen können sollten? Beteiligt euch und zeigt, dass ihr eine Meinung habt! Wenn schon nicht zu Videospielen, dann zu Kunst! Ich freue mich auf Kommentare und antworte gerne darauf.